Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
sammeln, mit dem wir auf die Massenvergewaltigungen im Ostkongo aufmerksam machten.
Uns war etwas unheimlich zumute, als wir an einer dunklen, meterhohen Mauer vorbeigehen mussten, vor der ein Brand schwelte. Verzweifelte Slumbewohner verbrannten hier Plastiktüten, die sich vor der Mauer meterhoch aufgetürmt hatten. Der beißende Rauch legte sich auf alles. »Das muss die Grenze des Slums sein«, meinte Beatrice. »Die Stadtverwaltung will wohl die Armut mit allen Mitteln eindämmen und Slumbewohner vom Rest der Gesellschaft abkapseln«, erklärte ich. Diesen Teil der Stadt schien sie abgeschrieben zu haben. »Wie kann man zulassen, dass diesen armen Menschen der Müll über den Kopf wächst?«, fragte ich und rümpfte angewidert die Nase. »Hier achtet keiner mehr die Natur«, stellte Beatrice fest. »Schaut euch nur den Nairobi-Fluss in der Innenstadt an. Er riecht wie eine faulige Latrine.« Wie kann die Stadtverwaltung das nur zulassen?, fragten wir uns.
Lucy, Beatrice, Nanyimoi und ich klapperten die grünen M-Pesa Points ab. Doch keine der kleinen Buden hatte genug Bargeld in der Kasse, um die zehntausend Kenia-Schilling auszuzahlen, die mir meine amerikanische Freundin Wendy geschickt hatte. »Top up – Füll dein Handy auf.« Mit giftgrünen Schildern lockten die Buden Kunden an, ihre Handys aufzuladen. »You want airtime?«, zischten sie uns zu. In der Innenstadt, wo ich schon lange nicht mehr gewesen war, wurden wir endlich fündig. Als ich Sylvia Dowllar das Geld in dem Hotel überreichte, fiel mir die resolute Organisatorin der Gala um den Hals. Sie freute sich, dass wir an dem Marsch teilnehmen
wollten. »Wenn die Kongolesinnen von eurem Dorf erfahren, werden sie Mut schöpfen.« Junge Aktivistinnen aus dem ganzen Land waren gekommen. Sie alle wollten mit und hatten aus ihren Regionen und Projekten etwas Geld mitgebracht. Am Ende reichte es für zwanzig Frauen und einen Bus, der uns quer durch Kenia, Uganda und Ruanda bis in den Ostkongo fahren würde. Wir waren erleichtert. Mit dieser Delegation würden wir zeigen können, dass wir Kenianerinnen es ernst meinten im Kampf für Frauenrechte im Ostkongo.
In den nächsten Tagen folgten die Behördengänge. Wir sprachen im sogenannten Nyayo House vor. Zunächst schickte man uns nach Hause. Traditionelle Kleidung sei hier unerwünscht. Ich war entsetzt und eigentlich nicht gewillt, meine Herkunft zu verleugnen. Diese Reaktion zeigte mir, dass sich manche meiner Landsleute wohl für ihre traditionellen Wurzeln schämten. Doch ich wusste, dass es nichts bringen würde, sich mit dem Wächter anzulegen. Wir brauchten einen Pass für Lucy. Also kehrten wir um und kamen in modernen Blusen zurück. Das ockerfarbene, heute eher graue Gebäude war früher als Folterkammer des ehemaligen Präsidenten Moi verschrien. Inzwischen befanden sich in dem Sechzigerjahre-Gebäude diverse Behörden, darunter auch die Passstelle.
Da ich mir nicht mehr sicher war, wie und wann man unseren Antrag bearbeiten würde, gingen wir an den Warteschlangen vorbei direkt zu dem einzigen Samburu-Beamten, der hier arbeitete. Er gelobte, sich für uns einzusetzen und den Vorgang zu beschleunigen. Die Zeiten, da man Beamte schmieren musste, um als Kenianer überhaupt einen Pass zu bekommen, waren zwar schon damals vorbei, doch unser persönlicher Kontakt soll den Vorgang beschleunigen. Nur drei Tage später hatte Lucy einen eigenen kenianischen Pass. Stolz hielt sie ihn in die Luft. »Jetzt bin ich eine moderne Kenianerin«, rief sie uns lachend zu. Wir waren begeistert. Früher hätten wir die Genehmigung ihres Mannes gebraucht, hätte die Ausstellung
Monate gedauert. Seit den letzten Wahlen war viel passiert. Immer mehr Kenianer pochten auf ihre Bürgerrechte.
Wir trafen uns im Uhuru-Park, in dem ich schon lange nicht mehr gewesen war. Für die Aktivistinnen, mit denen wir in den Ostkongo fahren werden, hatte der Park eine besondere Bedeutung, denn dort stehen Bäume, die die Freiheitskämpfer Kenias repräsentieren. Für ihren Erhalt hatte einst die Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai mit ihren Anhängerinnen gekämpft und so die grüne Lunge Nairobis bewahren können. Präsident Moi wollte nämlich im Uhuru-Park Apartmentblöcke errichten. Wangari Maathais Einsatz war der Anfang der grünen Bewegung Kenias. Für mich persönlich war dieser Park früher der einzige Ort, an dem ich tief durchatmen konnte und die Entscheidung gefällt hatte, die Scheidung einzureichen. Jetzt
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