Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Gericht zu klären. Die Anwälte des Frauennetzwerks ermunterten mich, die Grundbucheintragung ändern zu lassen – doch das ist ein Verwaltungsakt, der in Kenia mehrere Jahre dauern kann.
Anfangs traute ich mich im weißen Vorstadtviertel nicht vor die Tür, doch ich wollte mich nicht länger eingesperrt fühlen. Ich unternahm nach einer Weile Gewaltmärsche durch die grünen Vororte von Nairobi und staunte über die protzigen Villen der Mzungus. Inder, Schwarze und Weiße lebten hier im Westen der Stadt, wo die besseren Wohngegenden sind, fein säuberlich voneinander abgegrenzt. Manchmal trennten nur wenige Meter Villenviertel von Slums. Die Gegensätze in Nairobi sind krass. Dazwischen ragten Kräne wie Kraken in den Himmel. Überall entstanden neue Apartmentblöcke für die wachsende Mittelschicht in Nairobi. Doch wo war mein Platz in dieser boomenden Megacity? Anfangs machten mir die schroffen Brüche Angst.
Als Tochter von Nomaden bin ich schon immer gern gelaufen, es gehört für mich zum Leben dazu. Lange Entfernungen machen mir nichts aus. Dabei kann ich nachdenken und meine Gedanken ordnen. Außerdem wollte ich die Stadt kennenlernen, in der ich nun wohl oder übel noch länger bleiben musste. Wenn mir der Krach und der Staub Kopfschmerzen bereiteten, ging ich im Uhuru-Park, dem Freiheitspark am Rande der Innenstadt an der größten Verkehrsachse Nairobis, spazieren. Unter riesigen Bäumen, die Kenias Freiheitskämpfer
verkörpern, setzte ich mich oft ins Gras, schaute in die Baumkronen und tankte auf. Die Menschen, für die diese Bäume stehen, sind für ihr Freiheitsideal gestorben. Sie haben für das Mehrparteiensystem, für die Demokratie in Kenia und für diese pulsierende Stadt, deren Silhouette erhaben vor mir lag, gekämpft. Wenn ich doch nur ihre Überzeugung und ihre Ausdauer hätte, dachte ich oft, wenn die untergehende Sonne die herrliche Skyline orange färbte und sich in den mächtigen Glasfassaden wie ein großer Ball spiegelte.
Eines Tages fällte ich einen Entschluss, der schon lange überfällig war: Ich würde mich scheiden lassen. Wahrscheinlich war ich die erste Samburu-Frau, die sich offiziell scheiden ließ. Selbst die Frauen, die jahrelang geschlagen wurden und sich von ihren Männern trennten, ließen sich am Ende nicht scheiden. Eine Samburu-Frau, die die Scheidung einreicht, war undenkbar, da sie durch die Hochzeit zum Besitz des Mannes wird. Es war an der Zeit, sich darüber hinwegzusetzen. Außerdem wollte ich mich von meinem Mann und seiner Familie lossagen. Ich wollte einen Schlussstrich unter meine Ehe ziehen. In der Einsamkeit des großen Hauses hatte ich immer wieder darüber nachgedacht und mir war klar geworden, dass ich den Bruch zwischen ihm und mir nun auch formal vollziehen musste. Ich wollte nicht mehr als seine Frau gelten, auch nicht auf dem Papier. Er hatte mich gedemütigt, bedroht und von meinem eigenen Land verjagt. Es gab keinen Weg zurück. Nanyimoi würde seine Gewaltausbrüche bezeugen, da war ich mir sicher. Als unser Kindermädchen hatte sie erlebt, wie mich mein Mann geschlagen hatte. »Ich werde das bezeugen«, sicherte sie mir bei ihrem letzten Besuch zu. »Ich werde ihnen erzählen, wie unberechenbar er ist, wenn er getrunken hat.«
Es würde sicherlich kein leichter Weg werden, denn mein Mann würde sich in seiner Ehre und in seinem Stolz als Familienoberhaupt gekränkt fühlen. Auch wenn ich selbst noch in dieser Familientradition aufgewachsen war und bis heute
für die Kultur der Samburus kämpfe, wusste ich: Diesen Teil unseres Erbes müssen wir beerdigen, denn er lähmt uns Frauen. Mir wurde klar, dass ich das nun alles hinter mir lassen musste. Wenn die Frauen mich nicht geschützt hätten, wäre ich vielleicht jetzt nicht hier. Sie waren nun meine Zukunft. Die Frauen in Umoja. Allein der Gedanke an unser herrliches Dorf hielt mich am Leben. Ich wollte meinem Mann zeigen, dass ich mich nicht von ihm unterkriegen lassen würde. Nicht von seiner Familie, seinen Gewaltausbrüchen und seinen Drohungen. Ich würde mich scheiden lassen, um endlich wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Mein Mann war außer sich vor Wut, als er die Scheidungsunterlagen von meinem Anwalt Julius erhielt. Empört schickte er mir eine SMS, in der er mich als Lesbe beschimpfte. Ich solle es nicht wagen, nach Archer’s Post zurückzukehren, warnte er mich. Ich befürchtete, dass er mich nicht in Ruhe lassen würde. Er hatte das riesige Potenzial unseres
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