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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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Frauendorfes erkannt. Nachdem es nun die Teerstraße gab, entstanden in Archer’s Post gerade die ersten richtigen Geschäfte, und der Bauboom wirkte sich auch auf die Grundstückspreise aus. Außerdem kamen immer mehr Touristen in die Gegend, weil die Fahrt auf der neuen Straße angenehmer und sicherer geworden war. Meine älteren Kinder warfen mir vor, ich hätte den Verstand verloren und sei nicht mehr ganz bei Trost. Sie verstanden nicht, warum ich mich von ihrem Vater scheiden lassen wollte. Nur meine jüngste Tochter Sylvia, die am Stadtrand von Nairobi ein katholisches Gymnasium besuchte, hielt zu mir.
    Doch nicht nur die Scheidung stand im Raum. In einem gesonderten Verfahren wollte meine Anwältin Awinja Okwomi vor dem Obersten Gericht in Nairobi auch die Landfrage klären. In einem der schicken Cafés in der Nähe des Gerichtsgebäudes ging ich mit der ehrgeizigen jungen Frau noch einmal die Unterlagen durch. Wir waren umgeben von Afrikanern und Europäern, die auf ihren Laptops schrieben und Caffè Latte
schlürften. Hier gab es drahtloses Internet wie mittlerweile in vielen Cafés im modernen Nairobi. Ich wollte das Land von Umoja auf den Namen unserer Fraueninitiative registrieren lassen. Awinja berichtete mir, dass wir nach kenianischem Recht beweisen müssten, dass wir das Land gemeinsam bezahlt hatten und es somit uns allen zusammen gehörte.
    »Immer wieder sind wir mit altersschwachen Bussen über die Staubpisten bis nach Maralal in die Bezirkshauptstadt gefahren, um unsere Raten abzuzahlen«, erklärte ich der jungen Frau im Kostüm. »Dafür haben wir jahrelang gearbeitet, ganze Perlenberge aufgefädelt und verkauft, bis wir den Gesamtpreis von hunderttausend kenianischen Schilling abbezahlt hatten. « – »Ihr müsst Zeugen finden, die das bestätigen«, antwortete sie. Das dürfte kein Problem sein. Ich war erleichtert. Am Telefon bat ich die Frauen, alle Unterlagen, die mein Mann an jenem Samstagmorgen nicht mitgenommen hat, zusammenzusuchen, alle Quittungen und Geschäftsberichte.
    »Das wird ein zäher Kampf«, prophezeite mir Awinja. »Afrikanische Männer haben ein äußerst emotionales Verhältnis zu ihrem Land. Er wird alles daransetzen, das Frauendorf an sich zu reißen.« Ich sollte mich auf einen langen Rechtsstreit einstellen, meinte Awinja. Die Klärung mancher Landfragen dauere Jahrzehnte. So war auch unser Fall am High Court in Nairobi erst am Morgen vertagt worden. Zwei Richter waren auf unabsehbare Zeit erkrankt. Awinja musste nun um einen neuen Termin kämpfen.
    Beide Verfahren erwiesen sich als zäh. Sie liefen nur stockend an. Immer wieder wurden Gerichtstermine verschoben und auch die Beweisführung war schwierig, sowohl im Scheidungsverfahren als auch bei der Landfrage. Die Warterei war nervenaufreibend. Selbst nach Monaten war es weder mir noch meinem Anwalt gelungen, die Akte »Lolosoli« aus Archer’s Post zu bekommen, in der die Frauen zu Protokoll gegeben hatten, dass mein Mann sie mit dem Gewehr bedroht
hatte und mich töten wollte. Die Akte blieb unauffindbar. Julius, der Anwalt für meine Scheidung, wurde immer wieder vertröstet. Ich vermutete, dass der örtliche Polizist die Akte hatte verschwinden lassen, da er auf der Seite meines Mannes stand. Er hatte ihm zwar sein Gewehr abnehmen müssen, doch mich gewarnt. Falls ich zurückkehren würde, müsste er meinem Mann die Waffe zurückgeben.
    Das Nomadenleben in der Großstadt war kompliziert und verbrauchte all meine Energie. Der Alltag fraß mich auf und manchmal wollte ich dem Vagabundieren am liebsten ein Ende bereiten. »Ich will zurück nach Umoja«, jammerte ich jetzt immer häufiger. Beatrice, die lange unseren Kindergarten geleitet hat, und Lucy, die den Überfall miterlebt hatte, kamen so oft sie konnten nach Nairobi. Es fiel mir immer schwerer, sie gehen zu lassen. Ich war verzweifelt. Beatrice versuchte mich zu trösten. Sie hatte mich immer nur als die starke Dorfgründerin erlebt und mich noch nie so deprimiert gesehen. Doch ich wurde langsam müde von dem kräftezehrenden Versteckspiel.
    »Dann soll er mich eben erschießen«, platzte es eines Tages aus mir heraus. »So bin ich ständig auf der Flucht, schlage Haken wie ein Hase, der seine Spur verwischen will. Ich bin es leid. Ich will nach Umoja zurück.« Ich konnte nicht mehr an mich halten. Ich war zwar völlig erschöpft, aber eine Nacht durchzuschlafen gelang mir kaum. Beatrice war froh, dass sie den weiten Weg nach Nairobi auf sich genommen

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