Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Afrika zu bieten hat, und haben einen Ort geschaffen, der zukunftsweisend für Afrika sein könnte.« Mit ein paar Filmausschnitten vermittelten die Organisatoren dem Publikum einen Eindruck vom Alltag in Umoja und von den Problemen, gegen die wir angekämpft hatten. Ich war erstaunt, wie selbstbewusst wir wirkten. Die riesigen Bilder auf der großen Leinwand zogen mich in den Bann. In Gedanken weilte ich bei den Frauen und hörte ihre Stimmen, wie sie frühmorgens kichernd vom Fluss kommen.
»Wir brauchen Frauen wie Sie. Mit starken Persönlichkeiten wie Ihnen können wir die Armut bekämpfen.« Mit diesen Worten holte mich die Moderatorin wieder zurück in die Realität. »Ihr habt gegen großen Widerstand euren eigenen Schutzraum geschaffen und ihn über viele Jahre, entgegen aller Prognosen, aufrechterhalten.« – Wenn ich diese Anerkennung doch nur zu Hause in Kenia bekäme, dachte ich still bei mir. Der Saal klatschte voller Begeisterung. Ein wunderbares Gefühl. Einflussreiche Amerikaner jubelten mir zu. »Wir investieren in euch Frauen auf der ganzen Welt, da wir glauben,
dass Frauen wie Sie die Welt verbessern. So wollen wir unseren Teil dazu beitragen.« Tosender Beifall. Bevor ich mich versah, schüttelte mir eine Frau, die ich aus der Ferne schon immer bewundert hatte, die Hand: Außenministerin Hillary Clinton. Und auch die Sängerin Angelique Kidjo aus Benin gratulierte mir überschwänglich. Ich fühlte mich im siebten Himmel. Neben mir bekamen noch fünf andere Frauen aus Bahrain, Brasilien, Afghanistan und Pakistan einen Preis. Hillary Clinton hatte diese Auszeichnung als First Lady, zusammen mit Madeleine Albright, der ehemaligen US-Außenministerin, aus der Taufe gehoben, um damit Frauen zu ehren, die nach Freiheit und Demokratie streben. Der Applaus hallte noch lange nach. Selbst im Schlaf lächelte ich zufrieden weiter.
In Amerika hatte ich unendlich viel kennengelernt und erfahren, während Nagusi und die anderen schon sehnsüchtig auf meine Rückkehr warteten. Sie saßen erwartungsvoll unter unserer Akazie, als ich zurückkehrte. Aufgeregt fragten sie mich aus und wollten genau wissen, was ich erlebt hatte. Staunend starrten sie mich an, als ich von Gebäuden erzählte, die so hoch wie Berge sind. »Ich hatte Angst, dass sie auf mich herunterstürzen«, erzählte ich ihnen lachend. »Ich habe nicht gewagt, zu ihnen hinaufzuschauen. Diese Gebäude sind wie Türme. Sie ragen in den Himmel und schwanken.«
Auf dem Kunstgewerbemarkt in Santa Fe hatten wir richtig viel verkauft. Von dem Geld konnten wir endlich unsere Hypothek abbezahlen und weitere Schulbänke anschaffen und vielleicht auch einen Brunnen im Dorf finanzieren. Ich genoss es, nach Monaten endlich wieder auf meinem Kuhfell in meiner halbdunklen Manyatta in Umoja zu liegen. Durch die Akazienzweige fiel sanftes Licht von außen hinein, während draußen die Ziegen nach etwas Essbarem schnüffelten. Bis heute sind sie meine treuen Wegbegleiter geblieben. »Es ist, als wollten sie nah bei dir sein. Sie kommen immer nur zu deiner Hütte, wenn du in Umoja bist«, meinte Nanyimoi grinsend
und kochte mir Chai, damit ich zur Ruhe käme und schlafen können würde. Denn der nächste Tag war äußerst wichtig: Ich musste nach Isiolo, dort wurde das Urteil in meinem Scheidungsprozess verkündet.
Als mich mein Anwalt Julius anrief, um mir den kurzfristig anberaumten Termin mitzuteilen, blieb mir fast der Atem weg. In all der Hektik der letzten Monate zwischen den Reisen quer über den gesamten Planeten hatte ich die Erinnerung an das erniedrigende Verhör des Anwalts meines Mannes so gut wie möglich verdrängt. Ich versuchte positiv zu denken. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, jemals wieder mit meinem Mann zusammenleben zu müssen. Ich hatte längst ein anderes Leben. Daran würde auch das Gerichtsurteil nichts ändern. Ich hoffte nur, dass der junge Richter das erkannt hatte.
Die ganze Nacht verfolgten mich wilde Träume. Die schnellen Ortswechsel, die vielen Gesichter, die starken Gefühle der letzten Wochen zogen noch einmal in rasender Geschwindigkeit an mir vorüber. Immer wieder schreckte ich hoch. In der Ferne schrie eine Hyäne. Ich war schweißgebadet. Die Anspannung entlud sich in bizarren Bildern, die in meinem Kopf explodierten. Vielleicht waren das auch die Vorboten von Malaria, die ich schon lange nicht mehr gehabt hatte. Um mich abzukühlen, nahm ich mein Kuhfell und legte mich nach draußen in die kühle Brise vor
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