Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Jungen und Mädchen geben. Sie sollen sich um die Tiere kümmern, genau wie ich damals in Wamba. Sie sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen.
Die ganze Landschaft glüht rot, als ich mit den anderen Frauen in Richtung Campingplatz zum Fluss gehe, um dort Wasser zu holen. Die Erinnerung an jenen Morgen, als mein Exmann hier mit seinem Gewehr auftauchte und mein ganzes Leben durcheinanderwirbelte, steigt zwar gleich wieder vor meinem inneren Auge auf, aber sie beunruhigt mich nicht mehr, denn
ich fühle mich stark. Ungeheuer stark. Ich habe mich aufgerichtet nach dieser schrecklichen Erfahrung und bin in den letzten Monaten über mich selbst hinausgewachsen. Ich habe viel gelernt auf den langen Reisen quer über den Globus. Die Unterstützung all dieser Menschen und der Austausch mit ihnen haben mich aufgebaut.
Es war beruhigend zu sehen, dass es auch in anderen Teilen der Erde Frauen gibt, die für ihre Rechte kämpfen müssen. Mir ist klar geworden, wie viel wir erreicht haben. Jetzt will ich mit neuem Elan in Umoja weitermachen, neue Workshops anbieten, unter anderem zum Thema Landrecht. Meine Anwältin hat versprochen, uns zu erklären, wie die neue Verfassung Kenias die Provinzen stärkt und auch die Rechte der Frauen. Endlich haben auch wir einen Anspruch auf das Land unserer Vorfahren, da das traditionelle Erbrecht durch die neue Verfassung ausgehebelt wird. Das ändert zwar noch nichts am Denken der Samburus, aber steter Tropfen höhlt den Stein.
Der Uwaso führt in dieser Jahreszeit viel Wasser und bringt wertvollen Lehm aus den Bergen in die satte Graslandschaft. In der Abendsonne schimmert er glutrot, als sei in seinem Flussbett ein Schatz vergraben. Als das Ziegenfleisch auf dem Feuer brutzelt und seinen würzig-herben Geruch verströmt, bin ich glücklich wie schon lange nicht mehr. Am liebsten würde ich diesen Moment für immer festhalten. Das Gemurmel der Frauen, das Knistern des offenen Feuers und die laue Brise sind wie Balsam für meine Seele. Die Erinnerung an den üblen, fauligen Gestank von Kibera, an die hohen Mauern der Villen in Nairobi und an den ständigen Krach des Riesenmolochs fällt von mir ab. Ich sauge die Luft ein. Um nichts in der Welt würde ich Umoja für einen anderen Ort eintauschen wollen. Ich gehöre hierhin und werde mein Bestes geben, die ganze Gegend hier umzukrempeln.
»Unser Hühnerstall ist fertig«, erzählt mir Nagusi freudig. »Wir haben auf dich gewartet, bevor wir die ersten Hühner
kaufen.« Sie kann es kaum erwarten, bis unsere Touristen unsere ersten eigenen Hühnereier essen werden. Der Strom lässt zwar noch auf sich warten, aber jetzt bin ich wieder hier und kann versuchen, etwas Druck zu machen. Ich will meine Scheidung feiern und nach vorn schauen.
Ich weihe die Frauen in meine Pläne ein. »Ich will in die Politik gehen«, verkünde ich. »Ich, Rebecca Samaria Ngai, Tochter unseres Gottes Ngai, will versuchen, einen Sitz im Gemeinderat der Samburus, im County Council, zu ergattern«, rufe ich lachend in den Abendhimmel. Ich kann es gar nicht oft genug sagen. »Und ihr, meine Schwestern, müsst mir dabei helfen.« Das Geschnatter der Frauen ist ohrenbetäubend. Ihr Zuspruch überwältigend. Den ganzen Abend sprechen wir über nichts anderes und schmieden Pläne. »Bald ist Weltfrauentag«, erkläre ich. »Warum machen wir nicht eine Kundgebung in Archer’s Post, als Auftakt für meinen Wahlkampf?« Meine langjährigen Mitstreiterinnen strahlen mich an und singen laut los. Sie waren damals schon begeistert, als ich ihnen von unserem Marsch durch Bukavu erzählt habe.
Gleich am nächsten Morgen legen wir los. Die Gespräche mit den Ältesten verlaufen besser, als ich gedacht hätte. Sie erinnern sich noch gut an die Verhandlungen mit der britischen Armeeführung, bei denen ich mich nicht habe unterkriegen lassen. Ich glaube, das hat sie damals beeindruckt. Auch wenn sie einen derartigen Marsch für modernes Gehabe halten, zeigen sie sich nicht abgeneigt und versprechen, so schnell wie möglich eine Entscheidung zu treffen. Die Frauen haben derweil die ersten Telefonketten quer durch den Greater Samburu Distrikt gestartet. Sie sprechen mit Frauen, die am anderen Ende der Region weit verstreut in ihren Manyattas in den Bergen der Halbwüste wohnen, und erzählen ihnen von unserem geplanten Marsch.
Bis mittags hat sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet. Unser Netzwerk funktioniert. Aus dem Stand können wir
ganze Dörfer mobilisieren. Die
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