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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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Schlampen.
    Ich stand bloß da, brachte kein Wort heraus.
    „Du willst mit mir Schluss machen“, sagte sie traurig.
    Ich drehte mich um und ging davon. Sie rief mir hinterher: „Was habe ich getan?“ Aber ich ging einfach weiter.
    Sie folgte mir. Ich hörte ihre Schuhe auf dem Asphalt. Sie holte mich ein und packte meine Hand. Wir spazierten die Straße entlang, einfach drauflos. Es wurde bereits dämmrig, aber es war immer noch warm. Wir landeten auf dem Spielplatz hinter dem Supermarkt. Wir schwiegen und setzten uns auf die Schaukel. Ein beleuchteter Kran ragte über die Häuserblocks. Ich zuckte zusammen, als ich für nen Augenblick glaubte, jemanden im Führerhaus zu sehen. Nen Bullen mit Feldstecher.
    „Du machst mir Angst“, sagte sie. „Wenn du so bist, machst du mir Angst.“
    Ich wollte ihr alles erzählen. Dass ich in Shanes Wohnung gewesen war. Dass ich sie gehört hatte. Alles wollte ich ihr erzählen. Aber dann hätte ich geheult, und ich wollte nicht heulen.
    „Was ist los, Kai?“
    „Bist du meine Freundin?“
    „Warum fragst du?“
    „Bist du meine Freundin?“
    „Was soll die Frage?“
    „Liebst du mich?“
    „Was ist los?“
    „Liebst du mich?“
    „Ja.“
    „Ja?“
    „Ich liebe dich!“
    „Du liebst mich?“
    „Ich liebe dich, Kai.“
    Das hatte sie noch nie gesagt. Nie.
    „EINEN DRECK TUST DU!“ , brüllte ich sie an. „WARUM BELÜGST DU MICH?! WARUM?!“
    „Was schreist du so? Spinnst du? Wenn du mit mir Schluss machen willst, dann sag’s. Erspar uns das Theater.“
    „Okay“, sagte ich und nickte. „Ich will Schluss machen.“
    „Das ist nicht dein Ernst.“
    „Es ist aus, Marion.“
    Sie biss sich auf die Unterlippe. „Und warum?“
    „Wenn du das nicht selber weißt, kann ich dir auch nicht helfen.“
    „Hat Shane was erzählt?“
    „Es ist aus, Marion.“
    „Was hat er dir erzählt? Lass mich wenigstens verteidigen.“
    „Ich liebe dich nicht, Marion. Und jetzt ist es vorbei mit uns.“
    „Ich hab’s geahnt“, sagte sie leise. „Ich hatte all die letzten Tage so ein furchtbares Gefühl, ich war all die Tage so unruhig, mir war ständig schlecht …“
    „Du kannst dir doch wohl denken, warum.“
    Sie sprach so leise, dass ich sie kaum mehr verstand. „Aber wenn du mich jetzt verlässt, dann …“
    „Dann?“
    „Ich werde nie wieder einen Mann finden, mit dem ich so viel lachen kann.“
    Nie habe ich Marion zerbrechlicher erlebt als in diesem Moment. Nie hat sie mir ihre Liebe so offensiv gestanden. Ich war überrumpelt, ich hatte mir unser letztes Treffen anders vorgestellt.
    Ich zog das Eisen aus meinem Gürtel. Ich hielt es mir an die Schläfe.
    „Maria und Josef“, sagte Marion. „Du schaust zu viel fern.“
    „Ich hab gar keinen Fernseher.“
    „Bitte sag, dass die nicht echt ist.“
    „Was geschieht mit uns, wenn wir sterben?“
    „Das ist doch eine Schreckschusspistole, oder?“
    „Hast du Angst vor dem Tod?“
    „Oh Gott! Ist die echt? Ist die geladen?“
    „Hast du Angst zu sterben?“
    „Ich habe Angst vor dir. Warum machst du mir solche Angst? Sag doch endlich, was los ist! Sag es mir! Red mit mir!“
    „Ist es nicht lächerlich, wie wichtig wir uns nehmen, wenn wir nicht wissen, was unser Leben wert ist?“
    „Was redest du für wirres Zeug, Kai?“
    Ich nahm das Eisen und zielte damit auf Marion.
    „Naja“, sagte ich. „Gibt es einen Gott, der uns liebt, dann ist unser Leben unendlich viel wert, und wir müssen keine Angst vor dem Tod haben. Vielleicht aber leben wir in einer Matrix und sind nur Spielfiguren für zwei abgefuckte, besoffene, fiese Wesen, die uns geschaffen haben, weil ihnen langweilig war. Kapierst du? Wir sind nur Figuren in einem Computerspiel. Dann sind wir ein Nichts. Zwischen dem Alles und dem Nichts liegt eine Unendlichkeit. Zwischen Himmel und Hölle ist alles möglich.“
    Ich steckte das Eisen wieder ein. Sie hatte aufgehört zu schaukeln, sie saß da, zusammengesunken, sie tat mir leid. Ich wollte sie hassen, aber sie tat mir nur leid. „Hast du schon mal überlegt, dass wir dem, der uns gemacht hat, völlig ausgeliefert sind? Dass er mit uns machen kann, was er will? Das macht mir Angst. Er kann alles, ich kann nichts. Ich muss existieren. Ich kann nicht verschwinden. Ich muss sein, Marion, der Tod wird mich nicht auslöschen. Ich muss sein. Aber wenn ich nicht sein will? Wenn ich einfach nicht mehr sein will? Wer löscht mich dann aus? Wer nimmt mich weg? Wenn ich nicht mehr den Schmerz

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