Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
ihre Gebräuche und Gepflogenheiten lustig macht, neigt er dazu, bereits nach seinem ersten Besuch Bayern nicht mehr verlassen, ja schlimmer noch, gleich seinen ganzen Anhang dazu anzustiften, ebenfalls in Bayern einzufallen, um sich dauerhaft dort niederzulassen. Der Preiß liebt Bayern eben. Seine Landschaft, die Skigebiete, den Tegernsee und leider auch die bayerische Tracht. Urige Gasthäuser findet er »griebig« (er meint natürlich griabig) und »bärig« (sagt kein Bayer), und wenn er in seiner »Sepplhose« auf »der Wiese« (der Wiesn, also dem Oktoberfest) ein oder zwei »Maas« Bier intus hat, dann fühlt er sich in seinem Element und im siebten Himmel, in Bayern eben.
Aber die Liebe des Preißn zu Bayern beruht meist nicht auf Gegenseitigkeit: Es gibt dazu den legendären Ausspruch von Franz Josef Strauß, der sinngemäß meinte, man dürfe nie einen Preißn erschlagen, auch wenn man sich noch so über ihn ärgern würde, denn zur Beerdigung kämen Hunderte andere Preißn nach, die alle dableiben wollen. Wir sind zwar alle Deutsche, aber trotzdem mental, humoristisch und auch weltanschaulich so weit voneinander entfernt wie Frau Katzenberger von einem Hochschulstudium. Es ist ein bisserl so wie mit der eigenen Verwandtschaft: Sie gehört zur Familie, aber man ist froh, wenn man sie nur dann sieht, wenn jemand heiratet oder jemand stirbt, wobei es einem immer lieber ist, wenn jemand stirbt, weil dann das Ende des Elends absehbar ist, bei der Hochzeit geht der ganze Zinnober meist erst los.
Aber wenn er einmal in Bayern angekommen ist, der Preiß, sich breitgemacht hat und keine Anstalten unternimmt, den Rückzug anzutreten, dann leidet der Bayer unter seinem größten Manko: der ihm angeborenen Zurückhaltung und seiner abwartenden Haltung, die ihm oft als Schwerfälligkeit und Tumbheit ausgelegt wird. In Wahrheit verkauft sich der Bayer einfach schlechter als der Preiß. Beispiel: Frag einen Preißn, ob er sich vorstellen könne, mit einem Spaceshuttle zum Mars zu fliegen, um unbekannte Sphären zu erkunden, dann dauert es genau eine halbe Sekunde, bis er sich hinstellt und mit stolzgeschwellter Brust behauptet: »Dafür bin ich geradezu prädestiniert, denn bereits als Zweijähriger konnte ich nicht nur perfekt lesen und schreiben, nein, ich war auch in der Lage, die Carrera-Bahn meines Bruders zu zerlegen und wieder zusammenzubauen, ohne Anleitung und ohne fremde Hilfe. Wären meine Eltern nicht unvermögende Versager gewesen, wäre ich bestimmt seit zehn Jahren auf der Forbes-Liste der hundert einflussreichsten Menschen der Welt!«
Macht man denselben Vorschlag einem Bayern, würde er wahrscheinlich eine Viertelstunde überlegen und dann raunzen: »Zum Mars? Mei, ich weiß ned. Habt’s denn gar keinen anderen Deppen gefunden für den Schmarrn!«
Und genau das ist der Grund, warum der Preiß in Bayern so schnell die Karriereleiter nach oben klettern konnte, auch in Bereichen, in denen er eigentlich gar nichts zu suchen hat, weil der Preiß nicht so lang überlegt, während wir Bayern unten stehen und ihm die Leiter halten.
Oder wie mein guter Freund Egon Bauer es einmal formuliert hat: »Bevor du als Bayer ›Schweinsbraten‹ gsagt hast, hod’n da Preiß gfressen!«
Schon mancher Bayer hat versucht, den einen oder anderen Preißn wieder aus Bayern zu vertreiben, indem er ihn wie einen Taubstummen oder ein Kleinkind behandelt und deshalb über und nicht mit ihm spricht, das heißt in der dritten Person. Aber auch diese Taktik verfehlt meist seine Wirkung, denn der Preiß hat eines mit dem Bayern gemeinsam: zähes Sitzfleisch. Eine Freundin von mir war mit jemandem befreundet, der aus der Nähe von Köln stammte. Beim ersten Besuch in der bayerischen Heimat seiner Angebeteten saß besagter Süd-Schwede bei seiner zukünftigen Schwiegermutter am Küchentisch, und es gab Schweinsbraten. Die Unterhaltung muss sich laut der Schilderung meiner Freundin ungefähr so zugetragen haben:
Mama: »Mog er überhaupt an Schweinsbraten?«
Freundin: »Ja, frag ihn halt selber.«
Mama: »Ich weiß ja ned, ob er mich überhaupt versteht? Also, mag er an Braten?«
Freundin: »Ich glaub scho.«
Mama: »Und Knödel? Isst er die?«
Freundin: »Werd er scho essen.«
Mama: »I hob mir nur denkt, ob er’s vielleicht gar ned kennt. Weil da, wo er her is’, werden’s vielleicht mehra Kartoffeln essen. Oder Nudeln, ha?«
Und obwohl er brav die Knödel und den Schweinsbraten von der Mama gegessen hatte und sich
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