Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
die Reste des Mittag- oder Abendessens einpacken lassen. Meine Oma kam zum Beispiel immer vom Altennachmittag nach Hause und hatte in ihrem schwarzen Handtäschchen mit dem geflickten Henkel eine Serviette, in die sie ein Paar Wiener eingewickelt hatte, denn die zwei Paar, die ihr dort serviert wurden, waren ihr immer zu viel. Aber schließlich war das Essen bezahlt, also nahm sie die Würschtl mit nach Hause und hat sie am nächsten Tag einfach noch einmal warm gemacht. Wir haben nie gefragt, wie sie schmeckten, aber sie hat sie immer gegessen. Sie oder der Babba.
Essen wird nur dann kritisiert, wenn folgende Punkte zutreffen:
♦ Das Essen ist eiskalt.
♦ Es ist komplett versalzen.
♦ Es befinden sich trotz Ankündigung auf der Speiskarte keine erkennbaren Spuren von Speck oder Fleisch auf dem Teller.
♦ Das Fleisch auf dem Teller hat einen auch für die Bedienung deutlich erkennbaren Stich, ist also für den menschlichen Verzehr wahrscheinlich nicht mehr optimal. Sollte allerdings ein Schnitzel »schweinseln« oder der Hirschbraten »böckeln«, weil der gute Hirsch vielleicht schon ein paar Jahre zu viel auf dem haarigen Buckel hatte, betrachtet das der Bayer als Schicksal und wird versuchen, so viel davon zu verzehren, wie er kann, ohne dass er Teile des Hirschen wieder von sich geben muss – frei nach dem Motto: »Is’ ja schad ums Sach!«
Alle anderen Punkte wie zum Beispiel der Wunsch nach mehr Soße, einem Extraknödel, Salz, Pfeffer oder Maggi lassen sich problemlos mit der Bedienung im freundlichen Austausch klären und sind kein Grund zur Beschwerde.
Sollten die Portionen allerdings dauerhaft zu klein sein, wird sich der Durchschnittsbayer zwar nicht beschweren, aber einfach in Zukunft die Lokalität wechseln. Denn spätestens dann, wenn man den Wirt mit einem neuen Mercedes durch den Ort fahren sieht, wird der Bayer darin den Grund für die kleinen Portionen vermuten.
Es gibt allerdings auch in Bayern einige (wenige) Zeitgenossen, die gern und ausgiebig dem neuen Volkssport »Über-Essen-Lamentieren« frönen: Ein Spezl erzählte mir einmal, dass seine Oma der ganzen Familie ständig auf die Nerven ging, weil sie sich immerzu über das heimische Essen beschwerte. Schließlich wurde es ihrer Schwiegertochter zu bunt und sie meinte: »Geh, Oma, was willst denn immer. Du schmeckst doch eh nix mehr!« Worauf die Oma die Augenbraue hob und trocken konstatierte: »Was mir ned schmeckt, des schmeck i scho!«
Schlösser und Türen So lange ich mich erinnern kann, steckte bei uns daheim in jedem Fahrzeug der Schlüssel, und es stand tagsüber immer die Haustür sperrangelweit offen. Lediglich abends vor dem Schlafengehen wurden Fenster und Türen geschlossen und abgesperrt.
Wenn wir Kinder fragten, ob denn nicht Einbrecher alles mitnehmen würden, wenn nie etwas abgeschlossen sei, antwortete mein Vater immer nur: »Geh, Kinder, bei uns gibt’s nix zum Stehlen. Außerdem: Wenn einer einakemma will, dann kimmt er eina!« Da waren wir Kinder beruhigt, denn es stimmte tatsächlich: Was sollte ein Einbrecher bei uns schon stehlen wollen? Bargeld war nie viel im Haus, und mit einem Scheck für eine größere Anzahl von verkauften Rindviechern hätte der Einbrecher nicht viel anfangen können. Außerdem war der wenige echte Schmuck meiner Mutter offensichtlich so gut versteckt, dass sie ihn selbst manchmal nicht mehr fand. Und sogar wir Kinder, die jede versteckte Süßigkeit, jede auf Vorrat gebunkerte Pralinenschachtel aufspürten wie Jagdhunde, haben ihn nie gefunden, und dabei hätten wir ihn bei unseren kostümierten Kutschfahrten oft so dringend brauchen können! Antiquitäten, die vielleicht etwas wert gewesen wären, waren alle schon dem Resopalwahn der Sechzigerjahre zum Opfer gefallen und »eingeheizt« oder für ein paar Markl an fahrende Händler verscherbelt worden, und wenn der Einbrecher sich etwas von den Schuxn oder den Aus’zogenen meiner Mutter genommen hätte, dann wäre lediglich zu hoffen gewesen, dass er sich bei den weniger Schönen bedient hätte. Ansonsten hätte ihm meine Mutter mit ihrem riesigen hölzernen Kochlöffel das Klauen wohl innerhalb kürzester Zeit abgewöhnt.
Der Umgang mit dem Preißn Man muss leider über den Preißn sprechen, obwohl es eigentlich viel interessantere und aktuellere Themen gäbe, aber der Preiß per se klebt an Bayern wie das Elend am TSV 1860 München.
Obwohl der klassische Preiß sich stets über Bayern, dessen Bevölkerung, ihren Dialekt,
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