Man tut, was man kann (German Edition)
Türrahmen.
«Und? Was sagt ihr?» Günther präsentiert stolz sein glattrasiertes Gesicht und blickt erwartungsvoll in die Runde.
Leicht erschrockenes Schweigen.
«Vorher fand ich es auch nicht schlecht», bemerkt Katja etwas schüchtern.
Günther sieht mich fragend an.
«Katja hat recht, du solltest dir einen Bart stehenlassen», sage ich.
Günthers Gesichtsausdruck wechselt zu missmutig. «Du warst es doch immer, der gepredigt hat, dass ich mir den Bart abnehmen soll», motzt er.
«Ja», erwidere ich, «da wusste ich aber noch nicht, dass du ohne Bart aussiehst wie der Junge auf der Kinderschokolade.»
Günther zieht einen Flunsch. «Ja, nu isser ab.»
Er setzt sich und nimmt sich von Katjas Frühstück, derweil ich mich frage, ob Günther künftig noch ohne Begleitung eines Erwachsenen in Disneyfilme reinkommt.
Es klingelt an der Tür.
«Das ist Bode», sagt Schamski. «Er soll warten. Das hier ist nix für ihn.»
Das hat Schamski sehr treffend formuliert. Einen jungen Menschen könnte die Situation womöglich spontan um den Verstand bringen. Eigentlich will Schamski natürlich nur vermeiden, von seinem fahrenden Praktikanten in einem unwürdigen Aufzug ertappt zu werden. Schamski sieht nämlich immer noch aus wie ein Mann, der versucht hat, sich im Morgenmantel seiner Mutter das Leben zu nehmen.
Zwanzig Minuten später sind wir abfahrbereit. Schamskis Praktikant Bode ist ein nervöser Brillenträger, der wirkt, als könnte man ihn mit einer Knallerbse auf einen Baum jagen. Ich vermute, Schamski tut das auch mehrmals täglich.
«Wo soll ich denn hinfahren?», fragt Bode, als wir Günther abgesetzt haben.
«Zum Verlag?», wundert sich Schamski.
«Schon klar», erwidert Bode, «aber wohin da genau?»
Schamski stutzt, dann versteht er, dass Bode offenbar auf die Anwesenheit von Katja anspielt.
«Sie meinen aus Gründen der Diskretion?», fragt Schamski fast beiläufig.
«Genau», erwidert Bode unbehaglich.
«Mal überlegen», sagt Schamski, und sein Tonfall verrät, dass er sich über Bode amüsiert, «wir könnten Frau Riebinger auf der Autobahn rauslassen, damit sie sich durch den Stadtpark von hinten ans Verlagsgebäude heranschleicht. Dr. Schuberth müsste sich als Pizzalieferant verkleiden und den Pförtner ablenken, denn dann könnte ich am Empfangstresen vorbeikriechen, um in mein Büro zu gelangen. Was halten Sie von dem Plan?»
Bode ist in sich zusammengesunken. «Soll ich Sie einfach alle am Haupteingang rauslassen?», fragt er kleinlaut.
«Das wäre sehr freundlich von Ihnen, Herr Bode», erwidert Schamski, und es klingt nicht ungefährlich.
Im Büro erwarten mich eine heiße Tasse Tee und eine etwas unterkühlte Frau Hoffmann. Sie hat einen Termin umbuchen wollen und mich nicht auf dem Handy erreicht. Eigentlich ist das kein Beinbruch, zumal der Termin gar nicht heute ist, aber Frau Hoffmann wertet den Vorfall als klaren Beweis dafür, dass Handys den Büroalltag unkoordinierbar machen. Genau wie das Internet.
Auf meinem Schreibtisch liegt ein Päckchen, es ist von Engelkes, er möchte sich für meine tatkräftige Hilfe bei seiner Jobsuche mit einer guten Flasche Rotwein bedanken. Er hat sich nicht lumpen lassen, es ist ein Grand Cru Classé, weshalb ich nun zumindest zur Taufe meines Erstgeborenen wieder ein passendes Getränk habe. Damit die Flasche nicht meinem Mitbewohner in die Hände fällt, werde ich sie vorerst im Büro deponieren.
Beim Durchgehen der Post finde ich einen Prospekt der Anonymen Alkoholiker und mutmaße, dass Frau Hoffmann mich dezent auf ein Alkoholproblem hinweisen möchte. Darüber müssen wir reden, und zwar sofort, denn wenn so ein Gerücht die Runde macht, dann ist der Ruf schneller ruiniert, als man ein Eau de Vie kippen kann.
«Es ehrt Sie, Frau Hoffmann, dass Sie sich um meinen Gesundheitszustand sorgen, aber ich kann Ihnen versichern, es ist alles in Ordnung. Wäre das jedoch anders, müsste ich Sie trotzdem darum bitten, sich nicht in meine Privatangelegenheiten einzumischen.»
Frau Hoffmann sieht mich fragend an und hat offenbar nicht die leiseste Ahnung, wovon ich rede, also ziehe ich den Prospekt aus dem Poststapel und lasse ihn auf ihre Seite des Schreibtisches flattern. Sie wirft einen Blick darauf, und ihr Gesicht verdüstert sich.
«Und Sie glauben, ich hätte Ihnen das in die Post gelegt?»
Ich nicke und sehe im selben Moment, dass Frau Hoffmann offenbar den Tränen der Empörung nahe ist.
«Herr Dr. Schuberth», stößt sie
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