Man tut, was man kann (German Edition)
schüttelt den Kopf. «Für mich nicht, ich muss noch fahren.» Ostentativ nippt sie an ihrem Mineralwasser.
«Weiß du denn schon, was du isst?», frage ich, und mir fällt auf, dass Kathrin sich ein wenig unbehaglich fühlt.
«Nur ’ne Kleinigkeit. Das Lachscarpaccio.»
«Damit fange ich auch an, dann sehen wir weiter.» Ich lege die Speisekarte beiseite, wende mich Kathrin zu und sage: «Okay, du hast etwas auf dem Herzen, das ist nicht zu übersehen. Also, raus mit der Sprache.»
Kathrin versucht ein Lächeln. «Ich wollte es dir eigentlich schon gestern sagen, aber …» Sie ringt mit sich.
Mich durchzuckt plötzlich der Gedanke, dass sie schwanger ist. Das würde ihre gedämpfte Stimmung erklären. Sie hat Angst vor dem, was kommt. Sie weiß nicht, ob ich das Kind will, ob ich sie will, ob ich ein gemeinsames Leben, eine gemeinsame Zukunft will.
«… aber es war ein wirklich wunderschöner Abend, und ich wollte das dann auch nicht verderben.»
Entspann dich, Kathrin. Das kommt zwar jetzt etwas unerwartet mit deiner Schwangerschaft, aber ich bin sicher, wir werden einen Weg finden. Erst mal ziehst du zu mir. Ob wir gleich heiraten müssen, weiß ich noch nicht. Das können wir ja auch nach der Geburt des Kindes entscheiden.
«Jedenfalls ist die Sache die …»
Ich sehe sie ruhig und interessiert an und nicke bedächtig. Keine Sorge, Kathrin. Was immer du mir zu sagen hast, alles wird gut.
«Wir werden uns nicht wiedersehen, Paul.»
Ich nicke immer noch bedächtig und sehe dabei aus wie ein tibetanischer Mönch, der gerade von seinem Elefanten gerammt worden ist.
Dann sage ich völlig tonlos: «Tja», womit ich meine, dass Kathrins Ankündigung mir dann doch ein wenig die Pläne für den heutigen Abend und den Rest meines Lebens versaut hat.
«Du bist ein toller Mann, Paul, und ich hab das mit dir sehr genossen. Aber ich weiß natürlich, dass ich für dich nur eine Affäre bin …»
Hoffnung keimt in mir auf. Wenn es allein das ist, was Kathrin zum Schlussstrich bewogen hat, dann kann ich das sicher geradebiegen und den Abend doch noch herumreißen.
«… außerdem sind wir einfach zu verschieden. Ich bin nur eine kleine Sekretärin und du ein … Manager. Du bist weltgewandt und gebildet. Ich fahre einmal im Jahr nach Mallorca, und Bücher interessieren mich nicht …»
Aber Kathrin! Das macht doch nichts! Wir fahren mal woandershin. Und Lesen bedeutet mir wesentlich weniger als beispielsweise Sex. Wirklich! Wesentlich weniger.
«Ich hab einfach gemerkt, dass das nicht meine Welt ist.» Sie macht eine kleine Pause, seufzt. «Und ich hab gemerkt, dass ich zu Rüdiger gehöre.»
«Rüdiger», wiederhole ich dezidiert und begrabe gleichzeitig meine Pläne, den Abend doch noch herumzureißen.
«Wir waren so gut wie verlobt, dann hat er plötzlich kalte Füße gekriegt. Er wollte sich noch nicht binden, hat er mir gesagt. Aber als er gemerkt hat, dass ich mit dir zusammen bin, hat er angefangen, wieder um mich zu werben. Und vorgestern hat er mir einen Heiratsantrag gemacht.»
Sie lächelt ihr hübsches Lächeln.
«Rüdiger», sage ich erneut, und es scheint fragend zu klingen, denn Kathrin sieht mich an und erwidert: «Du könntest ihn mal gesehen haben, er ist auf ein paar der Urlaubsfotos, die bei mir in der Küche hängen.»
Ich zucke mit den Schultern. Ja, kann sein, keine Ahnung.
«Moment», sagt Kathrin und kramt in ihrer Tasche. «Ich glaube, ich hab ein Foto von ihm dabei.»
Kathrin, du hast ein Foto von Rüdiger dabei? Etwa immer?
«Hier.» Sie reicht mir ein Foto, auf dem ein Mittdreißiger mit Halbglatze und leicht abstehenden Ohren zu sehen ist.
«Das ist Rüdiger?», frage ich, und es beschleicht mich das Gefühl, dass meine heutige Niederlage wohl doch exorbitanter ausfallen wird, als ich dachte, bevor Rüdiger ins Gespräch kam.
Kathrin nickt. «Süß, oder?»
Kathrin, erwartest du ernsthaft von mir, dass ich deinen künftigen Mann süß finde? Niemals!
Ich kapituliere mit einem kurzen Nicken.
«Stell dir vor, als er mir den Antrag gemacht hat, da hat er sich vor mich hingekniet, obwohl er doch ein steifes Bein hat und ihm das wehtut, wenn er in die Hocke gehen muss. Er hatte mal Kinderlähmung, weißt du?»
Nein, weiß ich nicht, Kathrin, ist mir aber auch schnurz.
Ich gebe ihr das Foto zurück.
«Gratuliere», sage ich und kratze das bisschen Ehre, das ich noch im Leib habe, zusammen. «Ich wünsche euch alles Glück der Welt.»
«Danke», sagt Kathrin und
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