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Man tut, was man kann (German Edition)

Man tut, was man kann (German Edition)

Titel: Man tut, was man kann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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einer Weile taucht Iris tatsächlich auf. Sie trägt ihren Kittel, hat die Hände in den Taschen vergraben. Als sie mich sieht, hält sie inne, bleibt ein paar Meter vom Gitter entfernt stehen. Sie wirkt nicht sonderlich erfreut über mein Kommen.
    «Mein Hund ist krank», falle ich mit der Tür ins Haus. «Du musst ihn dir bitte mal ansehen.»
    Sie wirft einen Blick auf Fred, dem regelmäßiger Auslauf, ein gutes Heim und erstklassiges Kraftfutter strahlende Augen, ein glänzendes Fell und einen kräftigen Körperbau verliehen haben.
    «Er ist kerngesund», sagt Iris, ohne einen Schritt näher zu kommen.
    «Ich hab einen Fehler gemacht», sage ich und versuche ein Lächeln.
    Sie schüttelt den Kopf. «Du hast dich nur entschieden. Das ist kein Fehler.»
    «Aber ich habe mich falsch entschieden», erwidere ich.
    «Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es war ein einmaliges Angebot. Ich wollte, dass wir nicht lange darüber nachdenken. Du weißt, warum. Wir hätten es einfach getan, und damit … basta.»
    Da hat sie recht. Ich weiß nur immer noch nicht, warum wir es überhaupt getan hätten, wo sie doch diesen einen hat, mit dem sie ihr Leben verbringen will. «Dann sag mir doch einfach, was anders wäre, wenn wir es jetzt tun würden», entgegne ich.
    «Jetzt wäre es geplant», sagt Iris.
    «Na und?», erwidere ich. «Das würde doch an der grundlegenden Situation nichts ändern. Wir verbringen eine Nacht miteinander, und dann heiratest du einen anderen. Wo ist denn da das Problem?»
    Der Anflug eines Lächelns ist auf ihrem Gesicht zu sehen. «Wenn es kein Problem gibt, warum hast du dann gestern nein gesagt?»
    Sie ist jetzt doch ein wenig näher gekommen.
    «Wenn es kein Problem gibt, warum willst du dann nicht heute mit mir schlafen? Oder morgen? Oder übermorgen? Warum hältst du so fest an diesem einmaligen Angebot?»
    Sie sieht mich an, wieder ist die kleine Falte auf ihrer Stirn zu sehen, Iris denkt also nach. Angestrengt, wie ich zu beobachten glaube.
    «Paul, ich werde morgen heiraten», sagt sie dann sehr ruhig. «Heute Nachmittag fahre ich zu meiner Familie, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Morgen um diese Zeit bin ich die Frau eines anderen. Deswegen war das Angebot gestern Nacht ein einmaliges Angebot.»
    Eine kurze Weile stehe ich einfach nur da wie ein alter Zirkusclown, der gerade erfahren hat, dass sein Job künftig von einem richtig lustigen Schimpansen erledigt wird.
    «Das ist schade», sage ich dann langsam, wobei dieser Satz nicht annähernd das Ausmaß meines Bedauerns widerspiegelt.
    Iris sieh tmich an, es tut ihr ebenfalls leid, dennoch zuckt sie leicht mit den Schultern. Da kann man eben nichts machen.
    Ich nicke. «Dann …» Ich überlege, was dann. «Dann also eine schöne Hochzeit», höre ich mich sagen, und es klingt ziemlich wunderlich.
    «Danke», erwidert Iris, und ich habe das Gefühl, auch sie empfindet die Situation als etwas seltsam.
    Sie wartet, offenbar darauf, dass ich gehe. Ich denke einen Moment nach. «Hör zu …», beginne ich dann.
    «Nein, ich will es nicht hören», unterbricht sie mich.
    «Doch, es spielt sowieso keine Rolle mehr», fahre ich fort. «Ich hab nein gesagt, weil ich Angst hatte, in dieser Nacht etwas zu erleben, was ich dann für immer vermissen würde. Ich hab gedacht, ich hätte noch ein bisschen Zeit, mich an diese Entscheidung ranzutasten. Wenn ich gewusst hätte …»
    «Du solltest jetzt gehen», sagt sie bestimmt, es klingt dennoch fast sanft.
    Wir schweigen einen Moment, dann nicke ich. Wahrscheinlich hat sie einfach recht, und es ist alles gesagt. «Okay. Mach’s gut, Iris.»
    Sie nickt ebenfalls. «Du auch, Paul.»
    Ein letzter Blick, fast im gleichen Moment wenden wir uns zum Gehen.
    Fred stürmt voraus, zerrt an der Leine, zieht mich weg vom Tierheim und weg von Iris. Das trifft sich insofern gut, als ich mich momentan ein bisschen wackelig auf den Beinen fühle. Der Stadtpark ist in Sichtweite, keine fünf Minuten entfernt. Ich beschließe, mich nicht umzuwenden, bis ich ihn erreicht habe. Abwechselnd hebe und senke ich die Füße, Fred erledigt den Rest, indem er mich Richtung Stadtpark zieht.
    Dann ist plötzlich das laute Klacken eines Schlosses zu hören, gefolgt von einem noch lauteren metallischen Knarren und Quietschen. Ich bleibe stehen wie vom Donner gerührt, die Leine blockiert, und Fred wird unsanft zurückgerissen. Er sieht mich interessiert an.
    Die Geräusche kommen definitiv vom Tierheim, es ist das einzige

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