Management - von den Besten lernen
auch diesen alles zurück. Sie wollte von Männern unabhängig bleiben und finanzierte nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch den Aufstieg ihres Unternehmens aus eigener Kraft – für die damalige Zeit beides einigermaßen ungewöhnlich.
Ihren ersten Laden eröffnete Chanel im Alter von 27 Jahren in der Rue Cambon nahe der vornehmen Place Vendôme in Paris, wo noch heute Frauen aus aller Welt Mode aus dem Hause Chanel kaufen. Die von ihr selbst entworfenen Hüte, die sie dort ab 1910 verkaufte, kamen bei der gehobenen Pariser Gesellschaft so gut an, dass sie schon bald ihre Kollektion erweiterte. Bereits 1916 hatte sie Boutiquen in Paris, Deauville und Biarritz und beschäftigte rund 300 Mitarbeiter. Im Jahr 1920 kreierte Sie ihr schon bald legendäres Parfüm Chanel No. 5 , noch im gleichen Jahr versteuerte sie über zehn Millionen Franc. Bis Ende der 1920er-Jahre wuchs ihr Unternehmen auf über 3 000 Mitarbeiter an.
Die Welt der Mode prägte sie in dieser Zeit durch innovative Akzente, zum Beispiel durch das sprichwörtlich gewordene „kleine Schwarze“, das auf ihren Entwurf eines schlichten schwarzen Kleides von 1926 zurückgeht, eine Reaktion auf einen Opernbesuch, bei dem sie angesichts der farbenfrohen Abendgarderobe der anwesenden Zuschauer das blanke Entsetzen ergriffen hatte. Neben ihrem eleganten Schwarzen wirkte jedes andere Kleid überladen. Doch nicht nur durch dieses geniale Understatement veränderte sie das Bild der emanzipierten Frau. Ständig schnitt sie alte Zöpfe ab, was sie auch im wörtlichen Sinne tat: Als sie einmal ihre langen Haare angesengt hatte, ging sie zu einem Kurzhaarschnitt über, der für viele emanzipierte junge Frauen das Markenzeichen der 1920er-Jahre wurde. Als eine weitere Innovation führte sie 1924 den Modeschmuck ein, den sie nicht als billige Imitation echten Schmucks konzipiert hatte, sondern als Schmuckstücke, die selbstbewusst zu ihrer Künstlichkeit standen. War Schmuck zuvor nicht zuletzt auch ein Indikator für die gesellschaftliche und berufliche Stellung des Mannes gewesen, konnte die selbstbewusste Frau ganz im Sinne von Coco Chanel nunmehr das tragen, was ihr Spaß machte. Zu ihren Neuerungen gehörte daneben auch die raffinierte Kombination von echtem und falschem Schmuck sowie von edlen und billigen Materialien. Die langen Perlenketten sind genauso zum Klassiker geworden wie das Chanel-Kostüm aus weichem Tweed, welches sie erstmals 1954 vorstellte.
Noch wichtiger als ihre innovativen Entwürfe eleganter Mode waren allerdings der moderne Stil und die Lebensweise, die Coco Chanel den Frauen ihrer Zeit vermittelte und selbst als berufstätige, unabhängige Frau vorlebte. Welche Willenskraft und innere Stärke dies damals verlangt haben mag, als Männer die Gesellschaft und insbesondere die Geschäftswelt nicht nur dominierten, sondern auch allen ihren Vorurteilen und frauenfeindlichen Gedanken freien Lauf ließen, kann man sich heute wohl kaum mehr vorstellen. Wie viele große Persönlichkeiten arbeitete sie bis zum letzten Tag an ihrem Werk; sie starb 1971 reich und berühmt im hohen Alter von 87 Jahren während der Arbeiten an einer neuen Kollektion in Paris.
In Werdegang und Schaffen von Chanel finden sich viele Beispiele für innovatives Unternehmertum, die an sich schon ein eigenes Kapitel wert wären, um an ihnen einzelne Aspekte der professionellen Führung von Innovationen zu veranschaulichen. An dieser Stelle möchte ich den Blick aber auf einen anderen Managementaspekt lenken: auf den Gewinn und das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit .
Zu Beginn ein grundlegender Gedanke: Chanels finanzieller Erfolg war die Folge davon, dass sie die Bedürfnisse der Kundinnen besser verstand und bediente als jeder andere zu ihrer Zeit. Sie bot also allem voran zunächst einen Kundennutzen . Das mag trivial klingen, ist aber aus damaliger Perspektive gar nicht so selbstverständlich, denn kein Modehersteller stellte dereinst so radikal alles infrage wie Coco Chanel. „ Ein Kleid muss so geschnitten sein, dass die Trägerin sich auch aufs Pferd setzen kann “ 26 – und das, obwohl es für viele ihrer Zeitgenossinnen zum eng geschnürten Korsett keine Alternative zu geben schien. Seit jeher lagen und liegen in dem Ansatz, alles radikal infrage zu stellen und den Kunden besser verstehen zu wollen als jeder andere Anbieter, riesige Chancen für praktisch alle Organisationen.
Besonders eindrücklich kann man das profunde Verständnis der
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