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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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meinem langen, blonden Pferdeschwanz zu zupfen, und lächelt. »Ist diese Frage ernst gemeint? Wegen deines Haars.«
    »Oh.« Ich ziehe meine Knie dicht an meine Brust. »Können Sie mich nach Hause bringen?«
    »Warum? Damit du wieder kehrtmachen und nochmal loslaufen kannst?«
    Ich zögere. Eine Sekunde lang hat es den Anschein, als würde ich in Erwägung ziehen, ihn anzulügen, einfach, damit er mich in Ruhe lässt. Doch meine nachdenkliche, ernste Miene verrät mir, dass da ein kleiner Teil in mir ist, der möchte, dass er weiß, dass etwas nicht in Ordnung ist. Da ist ein kleiner Teil in mir, der jemandem etwas erzählen muss, und sei es auch nur, um einen winzigen Hinweis darauf zu geben, dass meine Welt aus den Fugen geraten ist.
    »Ja«, sage ich zu Mr. Riley. »Wenn Sie mich nach Hause bringen, werde ich einfach wieder umdrehen und von neuem loslaufen.«
    »Warum?« In der Dunkelheit des Wagens mustert er mit zusammengekniffenen Augen meinen Körper. Wir fahren langsam auf Mystic zu. Obgleich es dunkel ist, ist die Straße wegen des Herbstmarkts trotzdem voller Reiseverkehr. »Versuchst du vielleicht, abzunehmen? Denn wenn das der Fall ist …«
    »Ich habe nicht die Absicht zu hungern«, sage ich. »Ich esse.« Ich zögere. »Es ist wichtig, die Kontrolle zu behalten, das ist alles.«
    »Es gibt Kontrolle, und es gibt Hungern. Und es gibt unterschiedliche Arten zu hungern, Liz. Man kann hungern, indem man auf Essen verzichtet, und man kann hungern, indem man bis zum Abwinken Sport treibt. Einigen Leuten liegt das eine mehr als das andere.« Er sieht mich wieder an. »Und einige Leute sind gut in beidem.«
    Ich lehne mich in meinem Sitz zurück und drehe meinen Kopf, um ihn anzuschauen. »Ich versuche nicht abzunehmen. Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
    »Ich mache mir aber Sorgen um dich.« Er biegt nach links ab, in die Hügel von Mystic, als wolle er den Wagen wenden. »Ich bringe dich nach Hause. Und falls du versuchst, gleich wieder laufen zu gehen, klopfe ich an deine Tür und unterhalte mich mal mit deinen Eltern.«
    Meine Stimme ist kleinlaut. »Können Sie mich bei Richies Haus absetzen? Er wohnt zwei Türen weiter. Ich würde mich besser fühlen, wenn ich heute Abend einfach für eine Weile mit ihm reden könnte.« Heute weiß ich, dass ich Richie nicht das Geringste erzählen werde, aber ich verstehe, dass ich ihn damals einfach sehen wollte, dass ich seine Stimme hören wollte, dass ich seine Arme um mich spüren wollte. Richie hat mir immer so viel Trost gespendet. Selbst jetzt, im Tode.
    »Richie Wilson ist nicht gut für dich, Liz. Das wird dir jeder bestätigen.« Mr. Riley schüttelt den Kopf. »Vielleicht sollte ich mit deinen Eltern mal über ihn sprechen. Wissen die, was er so treibt … in seiner Freizeit?«
    Ich heuchle Unverständnis. »Wie bitte? Sie meinen, sie wissen nicht, dass er einer der Klassenbesten ist? Dass er eines Tages Schriftsteller werden möchte? Dass sein Lieblingsdichter John Keats ist, und sein Lieblingsbuch Der Fänger im Roggen ? Doch, Sie wissen, wie außergewöhnlich Richie ist.«
    »In Ordnung, ich hab’s kapiert. Liz Valchar, beliebtes Mädchen. Keine Zeit für ein offenes Gespräch mit ihrem Trainer. Legst du es darauf an, sämtliche Regeln zu brechen? Nachts ohne die richtige Ausrüstung laufen gehen, mit einem Drogendealer gehen – schön. Aber du wirst dem, wovor auch immer du wegzulaufen versuchst, nicht ewig entkommen können.« Er schaut mich durchdringend an, während er in Mystic auf die Hauptstraße einbiegt und zurück in Richtung Noank fährt. »Das weißt du doch, oder?«
    Er durchschaut mich derart, dass ich ihm, wenn ich ihn jetzt berühren könnte, am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde. Stattdessen muss mein lebendiges Ich hastig blinzeln, wieder und wieder, um zu verhindern, dass ich in Tränen ausbreche.
    Den Rest des Weges fahren wir schweigend dahin. Als wir in die Hauptstraße einbiegen, sagt Mr. Riley: »Liz, bist du dir sicher, dass es da nichts gibt, worüber du mit mir reden möchtest? «
    Mir wird bewusst, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht angefangen habe, zu seinem Haus zu laufen. Es war, bevor er zu dem Schluss gelangte, dass das, was immer nicht mit mir stimmte, zu groß sei, um es in sein Leben zu lassen.
    Ich hole tief Luft und fahre mir über die Augen. »Es ist das da, auf der rechten Seite«, sage ich. »Zwei Häuser von meinem entfernt.«
    Er fährt vor Richies Haus an den Straßenrand und hält. Das

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