Manche Maedchen muessen sterben
zur Küche und verfolgt, wie meine siebzehnjährige Stiefschwester an ihrem Mimosa nippt und eine Ausgabe des Self -Magazins durchblättert.
Nicole hat meinem Vater den Rücken zugewandt. Sie wiegt sich am Herd leicht hin und her; ihr fließendes, weißes Baumwollkleid wogt um ihre Fußknöchel. Ihre bloßen Füße sind glatt und gebräunt. Sie trägt nicht weniger als drei Zehenringe und ihre Zehennägel sind hellblau. Für eine erwachsene Frau ist das eine lächerliche Farbe.
»Was kochen wir denn Schönes?« Ich kann sehen, dass sich mein Vater um Normalität bemüht. Das gelingt ihm allerdings nicht besonders gut. Er sieht aus, als habe er seit Tagen nicht geduscht, wenn nicht gar seit Wochen. Er sieht nicht aus wie jemand, der sich für gewöhnlich im selben Haus aufhält wie Nicole und Josie, vom selben Raum ganz zu schweigen.
»Eine Frittata.« Nicole schaut über ihre Schulter und lächelt ihn an. »Du solltest etwas davon essen, Schatz. Du nimmst zu viel ab.«
»Josie.« Abrupt wendet mein Vater seine Aufmerksamkeit meiner Stiefschwester zu. »Was trinkst du da?«
»Das ist bloß ein Mimosa.« Sie nimmt einen Schluck. »Fast ohne Alkohol.«
»Ist mir egal. Schütt ihn weg.«
»Marshall …« Nicole will protestieren, aber bevor sie den Satz über die Lippen bringt, saust mein Dad auf Josie zu, nimmt das Glas und wirft es in die Küchenspüle.
Wenn ich sage, dass er es »in die Küchenspüle wirft«, meine ich damit nicht, dass er den Mimosa ausgießt und das Glas behutsam beiseitestellt. Ich meine damit, dass er das ganze Glas in die Spüle schleudert. Und das mit einiger Wucht. Die Champagnerflöte zerspringt. Ein wütendes Schweigen senkt sich über den gesamten Raum.
Schließlich sagt Nicole: »Ich habe keine Ahnung, warum du das getan hast. Das war doch bloß ein einziger Drink. Es ist nicht so, als hätte ich sie abgefüllt.«
»Nur für den Fall, dass du es mittlerweile vergessen hast«, sagt mein Dad in sarkastischem Ton. »Erst vor ein paar Monaten waren wir uns einig, dass es keine große Sache wäre, einem Boot voller Jugendlicher zu erlauben, ein paar Drinks zu nehmen, um Elizabeths Geburtstag zu feiern. Und das hat kein sonderlich gutes Ende genommen.«
Nicole schaut zu Boden. Josie gibt vor, ihr Magazin zu studieren. Die Frittata beginnt anzubrennen.
»Marshall.« Nicoles Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Sie beginnt, zerbrochene Glasscherben aus der Spüle zu fischen. »Irgendwann muss sich das Leben wieder normalisieren. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Du musst zur Arbeit gehen. Wir sind eine Familie. Du kannst nicht tagein, tagaus auf dem Boot hocken und aufs Wasser hinausstarren …«
»Ich werde das Haus verkaufen«, verkündet mein Vater.
Nicoles Finger rutschen ab. Eine Glasscherbe schneidet ihr tief in den Zeigefinger. Blut fließt, hell und schnell, tropft in die Küchenspüle.
»Mom, bist du okay?« Josie eilt zu Nicole hinüber, um ihr zu helfen. Sie wirft meinem Dad einen finsteren Blick zu.
»Ich habe bereits mit einer Immobilienmaklerin gesprochen. Sie kommt später heute Nachmittag her, um ein Schild aufzustellen.«
»Du verkaufst das Haus?«, gibt Nicole zurück, ihren Finger mit einem Stück Küchenrolle umwickelt. »Wann hattest du denn vor, das mit mir zu besprechen? Und was ist mit Josie? Was ist mit der Schule? Dies ist ihr letztes Jahr an der Highschool. «
»Josie kann das Schuljahr noch zu Ende machen. Dann kommt sie ohnehin aufs College.«
Nicole, deren Glas noch heil ist, noch immer fast voll, kippt ihren Drink mit einem einzigen langen Schluck hinunter.
Dann wirft sie das Glas in die Spüle. Wirft es. Es zerbricht, genau wie Josies.
»Wo sollen wir leben, Marshall? Was soll aus uns werden?«
Mein Dad nimmt seine Brille ab. Seine Augen hinter den Gläsern wirken erschreckend müde: tiefe, dunkle Ränder; schwere Lider; seinem einstmals funkelnden Blick fehlt jegliches Leuchten.
Er reibt sich die Augen. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was aus dir und mir wird, Nicole. Ich weiß nur, dass ich nicht mehr in diesem Haus leben kann.«
»Na großartig.« Nicole beginnt zu weinen. »Josie, geh in dein Zimmer.«
»Aber, Mom …«
»Geh!«
Josie huscht den Flur hinunter und die Stufen hinauf, doch sie bleibt auf dem Treppenabsatz stehen und setzt sich leise ans obere Ende der Stiege, um zu lauschen.
»Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um dich glücklich zu machen. Ich bin wegen Liz genauso traurig wie du. Das weißt
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