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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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Kaviar?«
    »Sie war magersüchtig, Alex. Sie hat sich zu Tode gehungert. Sie hat ständig Erkältungsmittel genommen, um ihren Appetit zu zügeln. Es gab Zeiten, da hat sie ganze Hände voll Tabletten geschluckt.« Daran erinnere ich mich plötzlich ganz deutlich: meine Mutter, die am Waschbecken steht, den Mund vollgestopft mit Pillen. Hat ein totes Mädchen im Jenseits denn nicht ein bisschen Gnade verdient? Von all meinen Kindheitserinnerungen würde ich jene, die mit meiner Mutter und ihrer Krankheit zu tun haben, am liebsten für immer vergessen. Aber sie sind da, tief in mir verwurzelt, klammern sich an meiner Seele fest.
    Und dann starb sie.
    »Mit dreiunddreißig hatte sie einen Schlaganfall«, erzähle ich ihm. »Sie brach in der Dusche zusammen.« Ich halte inne.
    »Was ist?«, fragt Alex. »Du siehst aus, als wolltest du sagen …«
    »Ich habe nicht vor, noch irgendwas zu sagen. Das ist mit ihr passiert. Jetzt weißt du es.«
    Falls Alex mich bedauert, dann zeigt er es nicht. »Und danach hat dein Dad Josies Mom geheiratet?«
    Ich nicke. »Ja, er heiratete Nicole.«
    Sie ist in Sicherheit, Liebling. Wenn du uns das nächste Mal besuchst, zeige ich es dir.
    »Willst du etwas Seltsames hören?«, frage ich.
    »Klar.«
    »Einige Wochen nach der Beerdigung meiner Mutter ging ich rüber zu Josie, um bei ihr zu übernachten. Weißt du, was Nicole da tat?«
    »Was?«
    »Sie holte ein Ouija-Brett raus. Ich war neun , Alex, und sie holte dieses Ouija-Brett heraus, um zu versuchen, für mich mit meiner Mutter in Verbindung zu treten.«
    Wir beide schauen Nicole an. Als Alex sagte, dass sie umwerfend ist, hatte er recht; Nicole ist die wandelnde Definition einer blonden Sexbombe. Außerdem ist sie exzentrisch und abergläubisch. Sie glaubt ans Jenseits, an UFOs und an alles Mystische. Nachdem sie in unser Haus gezogen war, ließ sie einen Feng-Shui-Experten kommen, der die ganzen Möbel umstellte. Nicole arbeitet nicht; stattdessen geht sie regelmäßig zum Yoga und besucht Tai-Chi-Kurse, verbringt viel Zeit mit ehrenamtlichen Aufgaben und beschäftigt sich ansonsten damit, das Haus ständig neu zu dekorieren. Meinem Dad scheint das nichts auszumachen.
    Josie ist genau wie ihre Mom. Sie geht ständig zusammen mit Nicole in die Spiritistenkirche. Beide glauben sie an Geister. Eine Sekunde lang denke ich darüber nach, ob ich mich ihnen nähern soll, um zu versuchen, sie zu berühren. Ich könnte überprüfen, ob sie meine Gegenwart tatsächlich spüren können. Doch so schnell sich der Gedanke materialisiert hat, tue ich ihn auch wieder ab. Genau wie mein Vater bin ich eher pragmatisch veranlagt. Obwohl ich jetzt ein richtiger Geist bin, glaube ich immer noch nicht, dass es irgendjemandem möglich ist, mich wahrzunehmen. Allein die Möglichkeit kommt mir lächerlich vor.
    »Hat es funktioniert?«, fragt Alex. »Das Ouija-Brett?«
    Ich schließe die Augen und kämpfe darum, nicht wieder zu weinen. »Ja. Sie fragte, wie es meiner Mutter geht, und das Brett buchstabierte ›sicher‹. Genauso, wie Nicole es mir versprochen hatte.«
    »Das ist vollkommen unangemessen«, sagt er. »Eine Erwachsene sollte nicht mit Kindern mit einem Ouija-Brett herumspielen. Vor allem nicht, wenn sie gerade mal neun sind.«
    Schon komisch – bis jetzt war mir nie so klar gewesen, wie unangemessen das tatsächlich war. Und die Worte, die sie auf der Beerdigung meiner Mom an meinen Vater richtete … wer sagt denn so was ?
    Bevor wir weiter über das Thema sprechen können, werden Alex und ich von Orgelmusik vom Band unterbrochen, die aus den Lautsprechern in den Ecken des Raums dringt.
    »Die Show fängt an«, sagt Alex.
    Meine Freunde fassen einander bei den Händen. Richie legt seinen Arm um Josie. Die beiden weinen so heftig, dass sie zittern.
    Ich drehe mich auf meinem Platz um, um Joe Wright anzusehen, der noch immer hinten an der Rückwand steht. Er hat die Arme verschränkt; sein Blick schweift immer wieder zu meinem Sarg. Soweit ich weiß, gibt es nicht den geringsten Hinweis darauf, dass mein Tod etwas anderes war als ein Unfall. Also warum ist er hier und nimmt alle so genau in Augenschein? Ebenso gut könnte er sich Notizen machen.
    Dorfpolizisten , denke ich. Vermutlich hat er nichts Besseres zu tun.
    Als mein Blick an ihm vorbeischweift und ich all meine Freunde und meine Familie ansehe, wird mir jedoch bewusst, dass mein Tod kein friedvoller war. Hier bin ich. Immer noch auf der Erde, zusammen mit Alex, um zuzuschauen und zu

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