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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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wach, meine Arme um ihn gelegt, und wünsche mir, dass er mich bloß noch ein letztes Mal spüren könnte. Und ich frage mich, was zur Hölle passiert ist, um mich unter die Erde zu bringen. Und mehr als alles andere auf der Welt habe ich Angst davor, dass ich das vielleicht niemals herausfinde.

13
    Am nächsten Montag in der Schule ist es beinahe, als hätte keiner der bizarren Vorfälle vom Wochenende – die Séance in meinem alten Zimmer oder mein Freund, der auf meinem Grab schläft – jemals stattgefunden. Dies ist die Highschool; die beliebten Kids drängen sich vor der ersten Stunde wie üblich bei den Spinden, lassen sich Zeit, bis sie in die Klasse gehen. Jahrelang haben meine Freunde und ich unsere Stundenpläne so gut es irgend ging miteinander abgestimmt. Daher überrascht es mich nicht im Geringsten zu sehen, dass Richie in der ersten Stunde zusammen mit Caroline und Josie Englisch hat.
    Trotzdem kann ich nicht anders, als finster dreinzublicken, als ich sehe, wie sich meine Stiefschwester im hinteren Teil des Klassenzimmers neben meinen Freund setzt und ihren Tisch so dicht an seinen heranschiebt, dass sie sich beinahe berühren.
    »Es ist, als würde sie einfach meinen Platz einnehmen«, beklage ich mich bei Alex.
    Er zuckt die Schultern. »Ihr Mädchen wart wie Schwestern. Jetzt geht sie mit Richie. Ich bin sicher, in gewisser Weise ist das tröstlich für ihn. Was ist so schlimm daran?«
    Ich schaue ihn an. »Was so schlimm daran ist? Vor gerade einmal zwei Nächten hat Richie auf meinem Grab geschlafen, Alex. Offensichtlich ist er noch nicht über mich hinweg. Und Josie macht einfach weiter, als … als wäre das eine ganz natürliche Entwicklung.« Ich schüttle den Kopf und starre sie quer durch den Raum hinweg an. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie ihn mag. Nicht die geringste.« Ich halte inne. »Jedenfalls nicht, soweit ich mich entsinne.«
    »Nun …« Alex zögert.
    »Nun was?«
    »Sie denkt, ihr beide seid Halbschwestern. Richtig?«
    Ich nicke.
    »Überrascht es dich da wirklich, dass sie in deine Fußstapfen treten will, Liz? Ich meine, machen Schwestern das nicht so?«
    Ich betrachte die Tafel an der vorderen Wand des Klassenzimmers. Jemand – vermutlich nicht die Lehrerin – hat in großen Blockbuchstaben SATZANALYSE IST GEIL! daraufgeschrieben. Der Sarkasmus ist offenkundig. »Aber das ist nicht fair!«, erkläre ich ihm schmollend. »Viele Typen finden Gefallen an Josie. Jason Harvatt ist praktisch von ihr besessen. Sie sollte mit jemand anderem gehen. Ich sollte mit Richie zusammen sein.«
    »Aber du bist tot. Und du bist nicht mehr mit Richie zusammen, sondern mit mir.« So rasch, wie die Worte über seine Lippen kommen, stolpert er darüber, eindeutig verlegen. »Ich meine, natürlich bist du nicht mit mir zusammen , aber wir sind zusammen hier …«
    »Alex.« Ich schenke ihm ein knappes Lächeln. »Schon okay. Ich weiß, was du meintest.«
    Die Zwölftklässler lesen Wem die Stunde schlägt , und eine Zeitlang hören wir uns eine langweilige Diskussion über Symbolik an, die sich ewig hinzuziehen scheint. Als ich auf die Uhr schaue, stelle ich fest, dass erst fünf Minuten vergangen sind.
    »Ich habe den Englischunterricht immer gehasst«, merke ich an. Wir sitzen im vorderen Bereich des Raums auf dem Fußboden.
    »Wirklich? Du magst keine Bücher? Aber du sagtest doch, dass Richie Schriftsteller werden will.«
    »Will er auch; aber das ist seine Sache. Ich habe nie gern viel gelesen. Bloß, du weißt schon, Zeitschriften und so was.« Ich halte inne. »Na ja, das stimmt nicht ganz. Manchmal, wenn Richie ein Buch las, das er wirklich großartig fand, gab er es mir zu lesen. Einige mochte ich sehr.«
    »Welche zum Beispiel?« Alex scheint ehrlich interessiert.
    »Ähm, lass mich nachdenken … Also, ich mochte Der Fänger im Roggen . Das ist Richies Lieblingsbuch. Ich glaube, wir haben es in der Zehnten gelesen.«
    »Ja, das war in der Zehnten. Ich hab’s auch gelesen.« Er hält inne. »Ich fand’s klasse.«
    Es folgt ein seltsamer Moment der Unbeholfenheit. Wir beide schweigen. Dann sagt Alex mit einem schüchternen Lächeln: »Tja, dann haben wir ja doch etwas gemeinsam.«
    »Ja.« Ich lächle zurück. »Das ist doch schon mal was.«
    Die Unbeholfenheit hält an. Es ist offensichtlich, dass keiner von uns weiß, wie es jetzt zwischen uns weitergehen soll.
    »Mir ist langweilig«, sage ich, bemüht, das Thema zu wechseln.
    »Okay. Was möchtest du jetzt machen?«
    »Keine

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