Manche Maedchen muessen sterben
Ahnung.« Ich schaue mich um. »Wir könnten uns zusammen an etwas erinnern.« Ich zögere. »Ich meine, an etwas über mich«, füge ich dann hinzu. Wir müssen immer noch eingehender über die Erinnerung aus Alex’ Leben reden, die wir kürzlich miteinander geteilt haben. Ich weiß, dass es uns beiden nicht sonderlich behagt, dieses Thema anzuschneiden, und ich habe keine Eile damit, die Sache zur Sprache zu bringen. Es ist offensichtlich, dass er mich nicht in seinem Kopf haben will.
Ein Teil von mir empfindet das als ungerecht, denn immerhin habe ich ihm so viel von meinem Leben gezeigt; doch im Großen und Ganzen ist es okay für mich, dass er seine Erinnerungen für sich behält. Schließlich ist es ja nicht so, als hätte unser Dasein viele Berührungspunkte gehabt, als wir noch am Leben waren. Und mir ist vor allem daran gelegen, herauszufinden, wie und warum ich starb. Was könnte ich schon erfahren, indem ich mir Alex’ Erinnerungen ansehe? Die haben nichts mit mir zu tun.
Er schweigt.
»Oder ich könnte es allein tun«, biete ich ihm an. »Ich weiß nicht, ob ich möchte, dass du mich begleitest.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dir nicht noch mehr Beweise verschaffen will, dass ich ein schrecklicher Mensch war.«
Er mustert mich. »Du bist vielschichtiger, als ich dachte, Liz. Du bist gar nicht bloß eine oberflächliche, verwöhnte Göre.«
»Du findest, ich bin vielschichtig?«
»Ja.« Er legt mir eine Hand auf die Schulter. »Lass mich mit dir kommen. Erinnern wir uns gemeinsam an etwas.«
Ich schubse seine Hand weg. »Eigentlich möchte ich lieber allein gehen.«
»Und was soll ich solange machen? Hier sitzen, während du davondriftest?« Unsere Lehrerin, Mrs. Davis, ist jetzt von der Symbolikdiskussion zum spanisch-amerikanischen Krieg übergegangen, um den es – so viel habe ich inzwischen begriffen – in dem Buch geht. Oh Gott. Ich könnte glatt nochmal sterben, aus schierer Langeweile.
»In Ordnung«, sage ich. »Lassen wir ein Spiel entscheiden.«
»Wir tun was? Liz, lass mich einfach mitkommen.«
»Nein, ich möchte ein Spiel spielen. Spielen wir Stein, Schere, Papier, okay?«
Alex rollt mit den Augen. »Also gut.«
Ich strecke eine Faust aus. Er tut es mir gleich. »Fertig?«, frage ich. »Eins, zwei, drei – Oh nein.«
Alex ist Papier; ich Stein. Er gewinnt.
»Fünf Runden. Wer öfter gewinnt«, bettle ich, außerstande, ein Kichern zu unterdrücken. »Fünf Runden.«
»Nein, nein, nein. Du sagtest, du willst spielen, und wir haben gespielt. Ich habe gewonnen.« Er schließt seine Hand erneut um meine Schulter. »Jetzt lass uns verschwinden. Wo möchtest du hin?«
Ich zucke die Schultern. »Lassen wir uns überraschen. Schauen wir doch einfach, wo wir landen.«
Als ich die Augen öffne, bin ich immer noch in der Highschool. Ich schaue auf und sehe mich selbst in der Tür meines Englischkurses in der elften Klasse stehen. Ich weiß sofort, dass dies in der Elften ist, weil ich humple, als ich über die Schwelle trete, und ich habe einen Bluterguss seitlich am Kopf, der einfach schrecklich aussieht.
»Oh mein Gott«, sage ich zu Alex, während ich mich selbst anstarre. »Das ist der Tag, an dem ich das erste Mal wieder zur Schule komme, nachdem ich die Treppe runtergefallen bin.« Ich schaue ihn an. »Da warst du bereits tot. Möchtest du es noch einmal probieren? Wir könnten versuchen, weiter zurückzugehen. «
»Nein«, sagt er. »Ich will sehen, was passiert.«
»Ich werde einfach bloß im Englischunterricht sitzen.«
»Nein, wirst du nicht, Liz. Das hier könnte wichtig sein. Du kannst dich kaum an etwas aus dem vergangenen Jahr erinnern, das hast du selbst gesagt. Bist du nicht neugierig? Möchtest du nicht wissen, wie du im Wasser gelandet bist?«
»Doch«, gebe ich zu. Aber was ich definitiv nicht sehen möchte, sind noch mehr Erinnerungen, in denen ich mich wie ein totales Miststück aufführe. Und als ich meinen Blick durch den Raum schweifen lasse, auf den hinteren Teil des Klassenzimmers zu, weiß ich sofort, was uns erwartet, auch wenn ich mich nicht im Detail an das erinnere, was gleich passieren wird.
»Schau einfach zu«, sagt Alex ruhig. »Ist schon okay.« Seine Augenwinkel legen sich in winzige Fältchen, als er verhalten lächelt. »Ich werde nicht zu hart mit dir ins Gericht gehen.«
Richie sitzt im hinteren Teil des Raums. Er sitzt immer hinten; er ist einfach der Typ dafür. Normalerweise würde ich mich direkt neben ihn setzen, doch als
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