Manche Maedchen raechen sich
etwa nicht?“
„Oh Gott!“, rief Marianne und hielt sich den Kopf, als wären meine Worte zu viel für sie. „Ich weiß aber nicht, was jetzt das Beste ist. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht sollten wir mit unserer Vertrauenslehrerin reden. Sie ist eine Erwachsene und für solche Fälle da, oder?“
„Okay“, sagte ich. „Dann gehen wir morgen zu ihr.“
„Morgen“, wiederholte Marianne. Keine Ahnung, warum.
„Wann wird Lexi aufwachen?“, frage ich.
„Sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen. Das ist das Beste für sie“, antwortet Dr . Fadden. „Sie wird morgen wieder aufwachen, wenn ihr Vater dabei ist, damit sie keinen Schock bekommt.“
„Darf ich auch dabei sein?“
„Wie schon gesagt, Eliza, ich habe strenge Anweisungen, Sie aus allem herauszuhalten. Sie hätten sich eben zweimal überlegen müssen, ob Sie gegen das Gesetz verstoßen. Dann wären Sie jetzt ein freier Mensch und könnten tun und lassen, was Sie wollen. Das hier ist kein Spiel.“
„Ich weiß, dass das kein Spiel ist“, brumme ich. Seufzend lasse ich mich in den Rücksitz des Wagens sinken.„Sie müssen mir sagen, was diese Schlampe mit Lexi gemacht hat.“
„ Doktor Jennens hat gar nichts mit Alexandria gemacht. Sie ist ein Profi und sie will ganz gewiss nur das Beste für Alexandria. Was Lexi getan hat, hat nichts mit Dr . Jennens zu tun, das hat sie ganz allein zu verantworten.“
Ich starre zum Dach des Wagens. Es ist mit Stoff ausgekleidet. Ich komme mir vor wie in einem samtenen Sarg.
„Warum rede ich überhaupt mit Ihnen?“
„Tja, zu dumm, dass Sie sich das jetzt erst fragen, nachdem Sie mir schon so viel erzählt haben.“
Ich kann auch aufhören, denke ich und frage mich im nächsten Augenblick, ob ich das wirklich kann.
„Marianne und ich sind zu Miss Bailoutte gegangen.“ Bei dem Gedanken daran verfinstert sich meine Miene. „Mann, zum Glück haben wir ihr nicht alles erzählt.“
„Ich habe mit Miss Bailoutte gesprochen. Sie haben ihr gegenüber nicht nur Informationen zurückgehalten. Sie haben sie angelogen.“
„Was? Wieso hätte ich sie anlügen sollen? Marianne und ich sind doch freiwillig bei ihr gewesen! Ist ja nicht so, als hätte sie uns bei irgendwas erwischt und dann ein Geständnis aus uns rausprügeln müssen!“
„Nur zu, Eliza. Erzählen Sie mir einfach alles. Danach geht’s Ihnen besser.“
Keine Ahnung wieso, aber manchmal fällt das Reden leichter, wenn man in einem fahrenden Auto sitzt. Vielleicht sollte man alle Patienten lieber auf den Rücksitz eines Autos verfrachten anstatt auf Sofas beim Psychiater und sie so lange rumfahren, bis sie ihre Geschichten erzählt haben.
Am Dienstag ging ich in der Pause zu Miss Bailoutte, die halb tote Marianne im Schlepptau. Lexi war immer noch zu Hause geblieben. Ihr Vater dachte, sie hätte Fiebe r – und in gewisser Weise hatte er damit Recht.
Miss Bailouttes Büro ist auf der anderen Seite des Sees, direkt neben der Aula. Die Schwalben flogen dicht über dem Wasser, doch die Oberfläche blieb spiegelglatt. Dieselben Schwalben, von denen Lexi behauptet hatte, sie würden Unglück bringen. Ich gab den Schwalben die Schuld, denn irgendjemand musste doch schuld sein.
Vor uns tauchte die Bibliothek auf. Durch die Fenster konnten wir sehen, was die Flammen angerichtet hatten: Wo früher Bücher und Möbel gestanden hatten, war alles schwarz und verkohlt. Der gigantische, zylinderförmige Glasbau erinnerte jetzt eher an einen Anspitzer voller Bleistiftspäne. Fehlte nur noch eine riesige Hand, die danach griff und ihn umgekippte, um ihn auszuleeren.
Miss Bailoutte saß an ihrem Schreibtisch und trank Tee mit Milch. Sie hatte gewelltes Haar mit blonden Spitzen. Der Rest war braun. Es sah so aus, als hätte sie eines Tages einfach keine Lust mehr gehabt, sich die Haare zu färben oder sich um ihr Aussehen zu kümmern. Auf dem Schreibtisch stand in einem teuren Rahmen ein Foto von ihrer Katze.
„Was kann ich für euch tun, Mädchen?“, fragte sie mit einem breiten Grinsen.
Wenn Miss Bailoutte lächelt, blitzt ihr riesiges Pferdegebiss auf und Spuckebläschen sammeln sich in ihren Mundwinkeln. Dass sie immer gern Kaugummi kaut, während sie spricht, macht es nicht besser.
„Geht es etwa um das Veranstaltungskomitee für die Abschlussfeier? Also wir bräuchten nächste Woche dringend noch Kuche n …“
„Äh, nei n … Eigentlich möchten wir mit Ihnen über Lexi Gutenberg sprechen.“
Marianne neben mir sah aus wie ein
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