Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
Vom Netzwerk:
wir alle mal wieder loslassen und zu uns selber finden.
    Aber ich habe mir in dieser Zeit auch viel Schlechtes abgeschaut und Dinge gesehen, die ich nur schwer verarbeitet habe. Anfangs war ich erst mal nur dankbar, wieder in dem Schutz der Gemeinschaft und der Klinik geborgen zu sein, aber es drückte dann doch nach und nach mein Innerstes durch. Oder sagen wir besser, die Probleme, die nur mich betrafen und weswegen ich überhaupt wieder hier war, kamen hoch.
     
     
    18.04.2000
     
    Ich vermisse Thomas so schrecklich. Seit ich hier bin hat er sich noch nicht einmal gemeldet. Ich erzähl hier viel von ihm und es hilft, sich all die komischen und verwirrenden Seiten an dieser kranken Beziehung anzuschauen, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich noch heute zu ihm fahren, egal was alle hier sagen. Wie lange wird es dauern, bis ich über ihn hinweg bin?
    Ich bin jetzt in einem anderen Zimmer, mit Emma. Sie ist 14 und total süß, noch so klein. Und so schlimmen Zwängen ausgeliefert. Jeden Abend muss sie erst fünf Fussel vom Boden aufheben, dann alle Schuhe gerade stellen, sich dreimal hinsetzten und wieder aufstehen, die Decke gerade ziehen, um dann endlich sich ins Bett legen zu können. Und das ist noch wenig, hat sie mir erzählt. Früher musste sie auf dem Weg zur Schule dreimal um eine bestimmte Laterne herumlaufen, zehn Grashalme pflücken und noch so einiges mehr. Da ist mein zwanghaftes Zählen bis sieben ja harmlos dagegen. Außerdem schneidet sie sich recht gerne und häufig, das ist hier bei vielen der Fall. Ich muss gestehen, dass ich das auch einmal ausprobieren möchte. Irgendwie treibt es mich gerade dazu, mir alles Schlechte und Kranke anzueignen, anstatt endlich in Richtung gesund zu gehen.
    Es gibt hier 8 Bulimikerinnen, aber wir sind vier Freundinnen, die sich gut verstehen. Seit letzter Woche gehen wir nach unseren Gruppen auch zusammen einkaufen. Das ist so komisch, wenn man gemeinsam für einen Fressanfall einkaufen geht. Früher immer heimlich, damit keiner was merkt und jetzt gehen wir teilweise zu viert in den Aldi und beraten uns, was denn am besten zu Kotzen geht, was jedem von uns am besten schmeckt oder, weil wir alle nicht so super viel Geld haben, was am billigsten ist und trotzdem den vollen Erfolg bringt. Zum Beispiel Marmelade, die hab ich früher nicht gegessen, aber sie ist billig und reicht für viele Brötchen, verdirbt auch nicht so schnell. Oder abgepackter Kuchen, füllt den Magen gut auf, kostet auch nicht die Welt und lässt sich auch später noch essen, im Vergleich zu Brötchen, die doch schnell hart werden. Es ist total verrückt, aber irgendwie ist es auch so super befreiend, wenn man so offen mit Gleichgesinnten darüber reden kann. Und dann sitzen wir zu zweit und manchmal auch mehr in unserem Zimmer (die anderen Zwei sind jeweils mit nicht Essgestörten auf dem Zimmer, deshalb kommen sie zu uns) und Essen jede auf ihre Art und nach ihrer Reihenfolge unsere Einkäufe. Eigentlich ist das Ganze nicht komisch, eher schrecklich, aber heute zum Beispiel, mussten wir so lachen!
    Da sitzen wir zu dritt auf unseren Betten, ich hab gelesen, Emma hat gerätselt, Miriam, weiß gar net, glaub sie hat auch gelesen. Und dann fängt Emma an und meint, sie wäre jetzt so weit, ob sie als erste ins Bad kann. Ich war noch nicht fertig, Miri auch nicht, also konnte sie als erste. Und dann war Miri fertig, Emma aber noch nicht aus dem Bad draußen. Eigentlich der Horror für eine Buli, die Kotzen will. Aber ich musste plötzlich so lachen, weil sie so zappelnd vor der Tür stand, so goldig verzweifelt dagegen geklopft hat, damit Emma schneller macht. Und Emma dann: „Gleich, noch einmal, dann bin ich fertig“ und dann das Kotzgeräusch... dann der Schlüssel, der sich rumdreht und Emma steht völlig fertig aber glücklich und erleichtert vor uns, während Miri ins Klo stürmt. Da konnt ich nicht mehr, trotz vollem Bauch musste ich so lachen! Ich glaube, davon erzähl ich irgendwann mal meinen Kindern, falls ich hier jemals rauskomme!!!
    Muss jetzt los, Abendessen, bis später!
     
     
    22.04.2000
     
    So, jetzt hab ich mal wieder Zeit zum Schreiben. Ist grad wieder so einiges los hier. Neid, Eifersucht, Miri ist stinkig auf sich und auf mich, weil ich nicht wie sie so dick bin. Da hab ich gemeint, selber schuld, wenn man zu blöd zum Kotzen ist. Ja, so langsam kommt auch mal mein Teufel raus. Ich kann nicht immer nur lieb und nett sein. Mir geht’s auch nicht so toll und ich bin es

Weitere Kostenlose Bücher