Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte
Autobahn bedeutete und was früh nicht immer so nett war, vor allem im Winter. Die Morgensendung begann um halb sechs, also musste ich um spätestens fünf Uhr früh bei der Arbeit sein, dafür hatte ich um ein Uhr mittags Feierabend.
Das wiederum war gut, weil meine Eltern da noch bei der Arbeit waren und ich dann genug Zeit für mich hatte. Ich kam also heim, kaufte vorher noch alles ein, was ich für meinen Fressanfall brauchte und konnte dann in aller Ruhe essen und kotzen, bis am Abend meine Eltern kamen. Und da ich eh früh raus musste, lag ich auch meistens um acht im Bett.
Mein Tag hatte also wieder Struktur, es war stressig bei der Arbeit, aber wahnsinnig aufregend und befriedigend. Ich war wer, ich bin sogar im Supermarkt anhand meiner EC Karte erkannt worden! Das alles gab mir Selbstbewusstsein und Kraft, ich hatte wieder eine Aufgabe und konnte wieder stolz auf mich sein. Da ich das Fressen und Kotzen ohne große Geheimhaltung einfach machen konnte, mich nicht verstecken musste und das Ganze auch ohne den Stress, den es bereitet, wenn man entweder keine Zeit oder keinen Ort hat, um in Ruhe seiner Sucht nachzugehen, tat mir gut. Ich brauchte es zum Leben, ohne ging nicht, aber ich hörte auf, mich deshalb fertig zu machen. Fressen und Kotzen gehörte zu meinem Leben und da alle Bescheid wussten und ich es so timen konnte, dass meine Eltern es nicht unbedingt mit ansehen mussten, klappte alles gut und ich hatte genug Energie für meine neue Arbeit und mein neues Leben übrig.
Thomas sah ich öfter, er hatte eine neue Freundin und ich ging mit Peter aus. So war ich in seiner Nähe. Das reichte damals schon aus. Ein paar von den alten Freunden sah ich auch wieder, Uwe und Jochen, ansonsten war ich ja gut beschäftigt.
Irgendwann hatte ich dann beschlossen, doch in die andere Stadt zu ziehen, das frühe Losfahren war einfach zu stressig. Außerdem war es für meine Eltern doch eine unendlich Belastung, zuzusehen, wie ich all die kranken Dinge einfach weiterhin tat, fressen und kotzen, mich mit Thomas treffen, ohne irgend ein Gefühl des Unrechts. Für mich war mein Leben so in Ordnung, ich hatte mich arrangiert. Mir war klar, dass es jetzt wirklich an der Zeit war, eigene Wege zu gehen. Ich hatte meinen Eltern schon genug zugemutet.
Eine Woche später hatte ich übers Radio eine Wohnung gefunden und mit Peters Hilfe und ein paar seiner Kumpels waren meine wenigen Habseligkeiten auch schnell umgezogen.
10.01.2001
Mein erster Abend in der neuen Wohnung. Ich bin so einsam, so allein. Peter und seine Kumpels sind weg und jetzt sitz ich hier. Ich glaube nicht, dass ich das aushalte. Die Wohnung ist total schön, eineinhalb Zimmer, kleine Küche, Bad und Balkon, klein und überschaubar.
Ich hab Martin geschrieben, mit dem ich jetzt schon ein paar mal weg war, ein Mitarbeiter von Thomas. Er ist eigentlich ganz süß, das könnte was werden, allerdings will er immer noch was von seiner Ex. Aber egal, bin ich halt Lückenbüßerin, ist andersherum ja nicht anders.
Jedenfalls hat er gemeint, ich könne vorbeikommen und das mach ich jetzt auch. Hier fällt mir nur die Decke auf den Kopf, eingerichtet ist alles, viel hab ich ja nicht. Schlaf ich eben bei Martin.
22.02.2001
Ist schon wieder lang her, die Arbeit kostet viel Kraft, aber macht auch wirklich richtig Spaß. Ich durfte heute zum ersten Mal eine ganze Sendung moderieren. Mach zwar noch Fehler, aber der Chef und die Anderen sagen, dass ich es gut mache. Ich habe doch tatsächlich etwas für mich gefunden, was ich kann, was mir Spaß macht, wo ich mich reinhängen kann und wo ich richtig viel Aufmerksamkeit bekomme. Ich habe sogar einen Fan, der jeden Morgen anruft und nur mit mir sprechen will!!!
Die Kollegen sind auch nett, wir haben einen neuen Marketingmitarbeiter, Michael. Naja, ist nicht so mein Typ, ein bisschen nervig, weil er immer alles ganz genau haben will, aber die sitzen eh unten in der anderen Abteilung. Mit den Moderationskollegen versteh ich mich prima, wir blödeln viel rum und gerade mit Markus ist es voll lustig. Wir sind ein gutes Morning-Team!
Die Anderen finden ihn abgedreht, aber ich hab kein Problem, einfach das zu machen, wie er es haben will, unterordnen fällt mir leicht und so kommen wir prima miteinander aus. Aber auch von den Anderen kann ich viel lernen und ich fühl mich immer sicherer.
Mit Martin ist`s nix geworden, ist wieder mit seiner Ex zusammen. Egal, dafür läuft`s wieder mit
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