Mandys Verlangen
war in Aufruhr, und daran änderte sich auch nichts. Selbst als Mandy erneut aufs Land hinausfuhr, um den Traktorunfall aufzunehmen, zitterte sie innerlich noch immer wie Espenlaub.
Es begann zu dämmern, als Mandy endlich in ihr gemütliches Haus am Pikon Drive zurückkehrte. Ihr erster Blick galt Rudys Zimmer, doch die Freundin war nicht da. Komisch, in letzter Zeit ließ Rudolfina sich immer seltener zu Hause blicken.
In der Küche informierte ein an die Kaffeemaschine geklebter Zettel Mandy darüber, dass Rudy zum Babysitten abgeholt worden war. Die Hallinks mussten wirklich ein ausschweifendes gesellschaftliches Leben führen, so oft wie Rudy von ihnen zum Kinderhüten gerufen wurde.
Mandy zerknüllte den Zettel und dachte dann an ihr Abendessen. Viel Lust zum Kochen hatte sie allerdings nicht.
»Also wieder Pizza«, beschloss sie und heizte schon einmal den Backofen vor.
Etwas später, als sie es sich gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte und die dampfende Pizza vor ihr auf dem Tisch stand, läutete das Telefon.
»Ich habe mir die Papiere aufmerksam durchgelesen und möchte die Farm immer noch kaufen«, hörte sie Nicholas’ Stimme. »Wie wäre es mit einem Abendessen in irgendeinem netten Lokal? Wir könnten dabei die Modalitäten besprechen.«
»Woher hast du meine Nummer?«, fragte Mandy, ohne auf seine Worte einzugehen.
»Von deiner Sekretärin«, lautete die schlichte Antwort. »Sie ist übrigens wirklich sehr nett.«
»Und ab sofort arbeitslos«, beschied Mandy ihm ärgerlich. »Stacy-Joan weiß genau, dass sie keinem Kunden meine Privatnummer geben soll.«
»Ich habe ihr gesagt, dass wir alte Freunde sind.«
»Wohl eher alte Feinde.«
Nicholas gab sich geschlagen oder besser, er verzichtete darauf, die Diskussion fortzuführen.
»Wie ist das nun mit dem Essen?«, fragte er stattdessen. »Ich habe einen Mordsappetit.«
Ich nicht , hätte Mandy beinahe geantwortet, aber ein Blick auf die lieblos belegte Pizza mit den müden Käsestreifen ließ sie ihre Meinung ändern.
»Also, gut«, stimmte sie zu. »Erwarte mich in einer halben Stunde im Dinos. Das ist Ecke …«
»Ich weiß«, wurde Mandy von Nick unterbrochen. »Bis gleich.« Es klickte, und die Verbindung war unterbrochen.
Na prima, so etwas liebte Mandolyn ganz besonders. Leute, die einfach ein Gespräch beendeten, ohne sich zu verabschieden, waren ihr zuwider.
Trotzdem betrat sie vierzig Minuten später das Foyer des eleganten Restaurants. Als sie an den hohen Spiegeln vorbeikam, die eine Wand des Vorraums einnahmen, musste sie unwillkürlich lächeln.
Mensch, Mandy, wie hast du dich verändert , dachte sie spöttisch, aber zugleich voller Genugtuung. Vor zehn Jahren hat dich Noleen Clayton noch aus ihren hochheiligen Hecken vertrieben und ein nichtsnutziges Gör genannt. Und nun triffst du dich mit ihrem vergötterten Sohn. Ob du das überlebst?
»Lebt deine Mutter eigentlich noch?«, war dann auch Mandys erste Frage, nachdem sie an dem Tisch Platz genommen hatte, an dem Nicholas sie schon erwartete.
Er sah umwerfend gut aus in seinem dunklen Anzug mit der weinroten Weste. Aber er war sowieso ein Typ, den man auch in einen Kartoffelsack stecken konnte, ohne dass er etwa von seiner Attraktivität verloren hätte.
Nicholas sah sie einen Moment verwirrt an, dann nickte er.
»Ja, Gott sei Dank«, antwortete er. »Noleen geht es gut. Sie nervt abwechselnd meine Schwestern und mich mit der Frage, wann wir endlich für Enkelkinder sorgen. Ich glaube, sie langweilt sich, seit wir alle aus dem Haus sind.«
»Demnach hast du noch Kontakt zu ihr.«
Nicholas nickte.
»Ja, wir sehen uns regelmäßig. Offiziell weiß mein Vater nichts davon. Aber ich glaube, er schickt Noleen nach Tennessee, um über sie zu erfahren, wie es mir geht.«
»Und deine beiden Schwestern sind verheiratet?«, forschte Mandy weiter, obwohl es sie nicht sonderlich interessierte.
Abigale und Blanche waren ihr immer wie Wesen von einem anderen Stern vorgekommen, mit denen sie nichts, aber auch gar nichts gemein hatte. Außerdem hatten sich die beiden sowieso nie mit den Kindern aus der Stadt abgegeben. Für sie kamen nur die Kinder aus dem feinen Privatcollege oder später aus dem Country-Club infrage, mit denen sie Tennis spielten, zum Ballettunterricht gingen oder Reitstunden nahmen.
»Ja, Abigale hat einen Mann aus Rochester geheiratet«, gab Nicholas bereitwillig Auskunft. »Seine Eltern haben eine große Geflügelfarm. Und Blanche hat sich einen
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