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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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und legte sie statt dessen auf den
Plattenteller. Er wählte das Stück Poinciana, und eine
Sekunde später erfüllte Vernel Fourniers exotisches Schlagzeugsolo die
Wohnung.
    »Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Ihr nächstes Selbstgespräch etwas
Hintergrundmusik verdient«, erklärte Walter. »Und jetzt erklären Sie mir bitte,
weshalb Senator Keneally Marta Marlund hat umbringen lassen, und weshalb ich
mich jetzt in der gleichen tödlichen Gefahr befinde.«
    »Dies ist eine sehr seltsame Musik.«
    »Die Geschichte, die Sie zu erzählen haben, ist ebenfalls seltsam.«
    »Keneally hat die Marlund gebumst, versuchen Sie bitte nicht, es zu
leugnen«, sagte Zaif. »Und deshalb hat er Sie als Strohmann vorgeschoben.
Keneally weiß, daß er der Marlund den Laufpaß geben wird, Marlund sieht das
Menetekel an der Wand und beschließt, Keneally zu erpressen. Und wen besorgt
sie sich als Helfer für das technische Zeug, wenn nicht einen schlaffen,
verzeihen Sie den Ausdruck, Schnüffelschwanz wie Sie? Also bekommt sie Fotos,
Tonbänder, sie kriegt, was weiß ich, ein Gipsmodell seines großen irischen
Lümmels. Und sie sagt zu Keneally so etwas wie: >Nicht so schnell, Joe Boy.
Wie würde es dir gefallen, wenn die Zeitungen dieses Zeug in die Hand
bekommen?< Genausogut hätte sie sagen können: >Bitte, töte mich<, denn
es hat den gleichen, wie soll ich sagen, zerstörerischen Effekt. Aber Keneally
hat immer noch das Problem der Fotos und/oder der Tonbänder ... oder vielleicht
der Schmalfilme ... und er fragt sich, wer hat die Dinger, wenn nicht die
Marlund? Walter Withers, wer sonst. Also schickt er seine Wurzelzwerge her, um
sie zu suchen, obwohl ich weiß, daß Sie nicht so dämlich sind, Walter, sie hier
aufzubewahren. Also warum erzählen Sie mir nicht einfach, wo sie sind? Sie könnten
sich damit doch ersparen, von Keneallys Schlägern zerlegt zu werden?«
    Walter starrte ihn einen Augenblick an und fragte dann: »Haben Sie
schon mal an eine Psychoanalyse gedacht, Sam? Ein Jahr oder zwei auf der Couch
würden genügen...«
    »Weil ich Ihnen Protektion bieten kann, Walter«, schnitt ihm Zaif das
Wort ab. »Wenn Sie versuchen, Joe Keneally zu erpressen, werden Sie damit
nichts weiter erreichen als Ihren Tod.«
    »Vielen Dank, daß Sie mal vorbeigeschaut haben,
Sam.“
    »Wer ist der Pianist? Er ist ziemlich gut.“
    »Ahmad Jamal.«„So ein Araber?“
    »Ein Neger.«
    »Denken Sie über mein Angebot nach«, sagte Zaif.
    »Wenn Sie aussagen, kann ich den Fall an die Staatsanwaltschaft
geben.«
    »Da gibt es nichts zu überlegen«, entgegnete Walter. »Es ist eine
Lügengeschichte. Brillant, aber trotzdem erlogen.«
    Zaif stand auf. Er reichte Walter eine Karte und sagte: »Meine Nummer
in der Wache. Überlegen Sie es sich. Es wäre mir zuwider, Ihre Ermordung
untersuchen zu müssen.«
    »Ja, mir auch.«
    Walter lauschte noch immer dem Jamal-Trio und räumte in seiner Wohnung
auf, als Anne anrief. »Alicia ist auch tot.« Das weiß ich auch.
    »Deine Freundin aus dem Cellar?« fragte er. »Mein Gott, was ist
passiert?«
    »Sie wurde gestern abend im Riverside Park vergewaltigt und ermordet«,
sagte Anne. »Der Scheißkerl hat sie vergewaltigt und ihr dann die Kehle
durchschnitten.«
    In Wahrheit ist es andersherum, dachte er. Diese gründlichen
Scheißkerle. Blonde Schauspielerinnen sterben in piekfeinen Hotels an Schnaps
und Pillen. Negermädchen werden in Parks vergewaltigt und erstochen.
    Er sagte: »Das ist ja schrecklich. Ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Ich nehme an ... ich weiß nicht...«
    Das leise Geräusch ihres Weinens. Um ihre Freundin, um ihre Geliebte,
um sich? fragte sich Walter.
    Nach einer Weile murmelte sie: »Es kommt mir vor, als würden alle
sterben.«
    »Es kann manchmal so aussehen.«
    Dann in einem Ausbruch, als müßte sie es hervorpressen, bevor sie den
Mut dazu verlor: »Walter, ich...«
    »Sag um Gottes willen nicht, wo du bist.«
    Weil wir für ein ganzes Leben genug Platten haben, wie kurz unser
Leben auch sein mag. Ein zweites brauchen wir nicht.
    »Tu's nicht«, wiederholte er streng und scharf, »sag nichts mehr. Und
leg jetzt auf.«
    Sie weinte wieder und fragte dann: »Kannst du kommen?“
    »Bedaure, kann ich nicht.«
    Weil dies etwas mehr Zeit braucht, um sich von allein zu regeln,
dachte er. Er hörte jedoch an der Kälte ihrer Stimme, daß sie ihn falsch
verstanden hatte. Es war der unverkennbare Tonfall einer Dame, die das Gefühl
hat, den Laufpaß zu erhalten. Und die sich

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