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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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einem
Decksstuhl und streckte seine langen Beine vor sich aus. »Das war wirklich ein
glänzender Einfall, die Bänder zu klauen und dann am Treffpunkt diese Botschaft
zu hinterlassen ... Ich bin aber ziemlich sauer auf dich, weil du mich
gezwungen hast, in Territorialgewässer zu segeln. Scheiße, von all den
eleganten Sicherheitsleuten in der Welt muß Keneally ausgerechnet dich
aussuchen. Das ist vielleicht ein Pech. Martini? Echter russischer Wodka?«
    »Nein danke.«
    »Nun werde nicht gleich wütend, Walter«, fuhr Morrison fort. Er zeigte
auf einen zweiten Mann in der Kajüte, der der Skipper des Boots zu sein schien.
Der Mann füllte Morrisons Glas mit einem neuen Drink.
    Der Schwerfällige trat hinter Walter und begann ihn abzutasten.
    »Du verschwendest deine Zeit, Igor«, sagte Morrison. »Mr. Withers
trägt keine Waffe.«
    Der Schwerfällige ignorierte Morrison und beendete seine Durchsuchung.
    »Hab ich dir doch gesagt«, knurrte Morrison. Er zeigte auf einen Stuhl
vor sich und sagte: »Mach es dir bequem, Walt.«
    Walter setzte sich und legte den Aktenkoffer auf den Schoß. Der
Schwerfällige nahm sich einen Stuhl neben Morrison und legte die Hand mit der
Pistole auf den Schoß, wobei der Lauf immer noch auf Walter zeigte. Die drei
Männer waren in der winzigen Kajüte so eng zusammengepfercht, daß sich ihre
Knie fast berührten.
    »Heißt er wirklich Igor?« fragte Walter.
    Morrison zuckte die Achseln. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Um
die Wahrheit zu sagen, Walter, war ich nicht so sicher, daß du es heute abend
schaffen würdest.«
    »Um ein Haar hätte ich es nicht getan.«
    »Richtig«, erwiderte Morrison. »Igor und seine kleinen Spielgefährten
waren fest davon überzeugt, daß du es nicht schaffen würdest, weil du kein
richtiger Operateur bist, du weißt schon. Ich habe sie darauf hingewiesen, daß
du dich bisher ganz gut gegen sie behauptet hast. Das hat ihnen gar nicht
gefallen, aber irgendwie freue ich mich, dich zu sehen. Bist du wirklich
sicher, was diesen Martini angeht?«
    »Hast du Pentobarbitol reingetan?«
    Morrison gluckste und sagte: »Sei nicht so giftig.«
    »Hast du sie getötet?«
    »Persönlich?« fragte Morrison. »Nein, ich bin gerade erst angekommen.
Das war Igor, oder wie zum Teufel er auch heißen mag. Ich habe allerdings den
Befehl dazu gegeben. Mußte es tun. Du warst uns auf der Spur, und sie war außer
Kontrolle geraten. Wenn du mich nicht angerufen hättest, Walter, hätte ich es
vielleicht nie erfahren, und dann würde Marta noch heute fröhlich rumbumsen.
Statt dessen bekam sie eine Spritze von Igor. Er ist ein häßliches Werkzeug,
nicht wahr?«
    Er ist ein kräftiges Werkzeug, dachte Walter, und ja, häßlich auch.
Ein großer kahlköpfiger Kugelschädel mit weit auseinanderstehenden Augen.
    »Und er hat auch die arme Alicia getötet und vergewaltigt?«
    »Das nehme ich an«, erwiderte Morrison. »Getötet und vergewaltigt?
In der Reihenfolge? Igor, du böser kleiner Iwan, du.«
    Igor zeigte keine sichtbare Reaktion, wenn man davon absah, daß er
Walter noch finsterer anstarrte.
    Morrison sagte: »Ich hoffe, du hast die Sex-Bänder von Joe Keneally
mitgebracht.«
    Walter tippte auf den Aktenkoffer.
    »Gute Entscheidung, Walt«, lobte Morrison. »Die Russen sagten, du
würdest dein Land niemals verraten, aber ich habe ihnen versichert, daß diese
Puppe Blanchard dich so weich geklopft hat, daß du so gut wie alles tun
würdest, um sie zu retten. Wahre Liebe und all das. Habe ich recht?«
    Walter nickte.
    Morrison fuhr fort: »Also, du wirst folgendes tun. Erstens wirst du
natürlich die Tonbänder übergeben. Zweitens wirst du zu Keneally gehen und ihm
die schlechte Nachricht überbringen, daß er eine russische Spionin gevögelt
hat und erledigt ist, es sei denn, er spielt mit.
Und drittens wirst du ihm beibringen, wie man mitspielt.«
    »Du willst, daß ich Keneally für dich führe?«
    »Aber sicher«, erwiderte Morrison. »Bring ihn einfach dazu, dir ein
paar geheime Informationen zu geben, und schieb ihn an, damit es langsam mit
ihm bergab geht... Mein Gott, wozu erzähl ich dir das? Du weißt doch besser als
jeder andere, wie das gemacht wird. Du hast doch die Hälfte aller Kommunisten
in Skandinavien umgedreht.«
    »Und die meisten von ihnen sind nach ein paar Monaten verschwunden.«
    »Wie war das?« fragte Morrison. Sein normales Galgenvogelgesicht war
jetzt einem schiefen Grinsen gewichen, dem Grinsen einer Katze, die einen
Kanarienvogel

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