Manhattan Blues
sie werde nur im Duett mit ihrem Freund
auftreten.
Er nahm den Fehdehandschuh auf und setzte sich ans Klavier.
Es war ein albernes kleines Duett, das sie zum ersten Mal an einem
feuchtfröhlichen Abend in Cannes vorgeführt hatten, als er zu ihr auf die
Bühne gekommen war, um zu beweisen, daß er nicht singen konnte. An diesem Abend
im Good Night tat er das gleiche und lieferte das »Scou-be-do-be-do-ba« nach
ihrem Refrain.
Die Truppe im Good Night jubelte, als sie den Anfang sang:
»Why don't
you come and join the group? It's better than being a party poop.«
worauf Walter einfiel:
»Schu-bi-du-bi-du-ba
Schu-bi-du-bi-du.«
Dabei hatte er einen Ausdruck wie Stan Laurel im Gesicht und schlug
leise und falsch mit dem Fuß den Takt dazu. Die Leute waren völlig bezaubert,
als Anne trällerte:
»Say you
love me, really love me, say you love me true«,
worauf Walter mit einem total falschen, aber von Herzen kommenden
»I love
you«
einfiel.
Obwohl Anne alles andere als bezaubernd war, wie Walter wußte. Er
spürte, wie ihre Augen hinter der Fassade der Entertainerin wie Dolche auf ihn
gerichtet waren, selbst als die Nummer beendet war und sie sich errötend
verbeugte.
Und als er draußen auf der Straße die Arme in den Nachthimmel reckte
und losschrie: »Himmel, wie ich diese Stadt liebe!« und sie nichts dazu sagte,
wußte er, daß ihr schon eine Rache für das einfallen würde, was er ihr angetan
hatte, was immer es sein mochte.
Er brauchte nicht lange zu warten. In der Sekunde, in der sie die
Mäntel ausgezogen hatten, hatte sie den Joint aus ihrer Handtasche genommen,
angezündet und sich auf den Fußboden gesetzt.
Er gab sich Mühe, sich nicht darüber zu ärgern, ärgerte sich aber
doch.
»Ist das eine neue Angewohnheit?« fragte Walter und reckte das Kinn in
Richtung Marihuana-Zigarette.
Sie waren beide der Meinung, daß er lächerlich wirkte - eine
entrüstete blaustrümpfige Sonntagsschullehrerin.
»Es ist keine Angewohnheit«, sagte sie. »Versuch's doch mal.«
»Woher hast du das Zeug?“
»Alicia hat es mir gegeben.«
»Alicia«, sagte er. »War es das, was du gerade getan hattest, als ich
in den Club kam? Hast du draußen auf der Straße mit Alicia Pot geraucht?«
Sie nahm noch einen tiefen Zug und sagte dann spöttisch: »Ja,
Aleeesha. Ich weiß, was du denkst, Walter. Exotische, sexbesessene Negerinnen
mit Voodoo-Giftgebräu führen unschuldige weiße Mädchen ins ...«
»Das ist lächerlich.«
»Schnüffler Withers«, krächzte sie und hielt den Rauch in den Lungen.
»So solltest du heißen, >Schnüffler< statt >Walter<.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?« fragte er, obwohl er es wußte.
»Weil du draußen stehst und zusiehst«, sagte sie. »Nein, nicht
draußen, drüber. Du stehst über allem in deiner
moralischen Überlegenheit und verziehst höhnisch das Gesicht über uns arme,
fleischliche Sterbliche, die all die Dinge tun, die du
beobachtest.«
In vino veritas, dachte er. In Marihuana was?
»Was, wenn ich fragen darf, habe ich nicht getan, um diese Attacke zu
provozieren?« fragte Walter.
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es ja gerade, genau das. Du hast es
gerade getan. Du verwendest Wörter und deinen hochnäsigen, herablassenden,
überlegenen Intellekt, um Menschen auf Abstand zu halten, um dich zu
distanzieren, damit du genug Platz hast, hinunterzublicken und zuzusehen.«
»Ah, ich verstehe.«
»Und grinst höhnisch«, fügte sie hinzu. »Du bist so verdammt spießig!
Du verläßt diesen neureichen faschistischen Abschaum im Plaza
und kommst dann hinunter, dorthin, wo ich lebe, und grinst höhnisch über meine
Freunde.«
»Ich bin nicht sicher, ob der Reichtum der
Keneallys wirklich so neu ist«,
sagte er, »und ich glaube auch nicht, daß sie etwas mit Mussolini oder Hitler
zu schaffen hatten. Und außerdem habe ich nicht höhnisch gegrinst.«
»Du grinst innerlich. Du bist nur zu verdammt höflich, es offen zu
tun«, entgegnete Anne. »Dein Hohn verbirgt sich hinter noch größerer
Höflichkeit, noch mehr Charme, noch mehr Witz, noch mehr Vollkommenheit. Der
heilige Walter.«
»Wäre heiliger Schnüffler nicht besser?«
»Das ist sogar dein Job«, sagte sie. »Du schnüffelst hinter Leuten
her. Das ist dein Job, Leute zu beobachten.«
Er seufzte und sagte: »Ich bekenne mich schuldig, für meinen
Lebensunterhalt zu arbeiten, ja.«
»Haßt du deinen Job nicht?«
»Er gefällt mir sogar.«
»Leute zu beschnüffeln«,
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