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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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unsubtile Technik war typisch für Sicherheitsdienste, die im
selben Land arbeiten, in dem sie die höchste Autorität sind. Ihnen fehlten die
paranoiden Fähigkeiten derer, die auf feindlichem Territorium arbeiten, für die
die Tolpatschigkeit eines Augenblicks die schnelle Festnahme oder einen noch
schnelleren Tod bedeuten kann.
    Amateurhaftigkeit war für Walter die Arroganz der Macht. Und diese
Burschen in ihren unauffälligen grauen Mänteln, dem Bürstenhaarschnitt und den
blankpolierten schwarzen Schuhen waren sichtlich der Meinung, die Heimmannschaft
zu sein.
    Aber ihr seid nicht die Heimmannschaft, dachte Walter. Das bin ich.
    »Broadway«, verkündete er, als sie an der 45. auf grünes Licht
warteten, »dorthin kommen die Leute und zahlen Geld dafür, sich die Träume
anderer Menschen anzusehen.«
    Madeleine sagte: »Ich kann nicht sagen, ob diese Bemerkung zutiefst
zynisch oder von umwerfendem Charme ist.“
    »Oder beides«, warf Keneally ein.
    »Es war bewundernd gemeint«, erwiderte Walter, als sie die Straße
überquerten. »Das ist einer der Gründe, weshalb ich an Gott, Land und letztlich
auch den menschlichen Adel glaube.«
    »Wie kommt das?« fragte Madeleine und lachte.
    »Weil«, sagte Walter und sah sie an, in Wahrheit jedoch nur, um sich
zu vergewissern, daß die beiden Männer ihnen noch folgten, »es der Beweis für
die Existenz einer Gottheit ist, die ein Geschöpf geschaffen hat, das als
einziges lacht, weint, singt und seinen Mitgeschöpfen gern dabei zusieht, wie
sie in albernen Kostümen herumhüpfen, ein Geschöpf, das im Kollektiv sein
Wissen um die grimmige Realität über Bord wirft und so tut, als wäre eine
wackelige Konstruktion aus Holz und bemaltem Stoff beispielsweise River City.«
    »Ist diese Spezies«, fragte Marta, »nicht auch die, die keinen Penny
dafür ausgibt, jugendlichen Straftätern aus schlechten Stadtvierteln zu helfen,
sondern dafür lieber Millionen ausgibt, um zuzusehen, wie Schauspieler ein
paar Blocks weiter jugendliche Straftäter spielen?«
    Du bist wirklich klüger, als ich gedacht habe, dachte Walter. Und
genau dieselben Worte hätten leicht aus Anne Blanchards Mund kommen können. Und
die beiden grimmig dreinblickenden Figuren halten immer noch mit.
    Aber für wen? Für Keneally? Für Madeleine? Wovon hatte Hoover
Witterung bekommen? Auf welche fleischliche Spur hatte er seine Hunde
angesetzt?
    Madeleine ignorierte Marta und fragte: »Über Gott und den menschlichen
Adel haben Sie schon gesprochen, was ist mit Land?«
    »Das ist einfach, nicht wahr, Senator?« fragte Walter. »Man hat ein
Land, das den Broadway nicht nur erlaubt, sondern auch noch fördert.«
    »Bravo, Walter. Bravo.«
    »Aber sollte die Kunst nicht der Gesellschaft dienen?« fragte Marta.
    »Dadurch, daß die Gesellschaft für das zahlt, was sie will«, sagte
Walter, »dient ihr der Broadway vorbildlich.«
    »Selbst wenn sie nur schöne Bilder will?« hakte Marta nach.
    »Besonders dann«, erwiderte Walter. Die häßlichen Bilder können wir
uns selbst schaffen, ohne jede professionelle Hilfe, besten Dank. Einer der
Männer war hochgewachsen, mager und jung. Ohne Hut und mit kurzem Haar. Der
andere war älter, Mitte Vierzig, wie Walter schätzte - und stämmig. Dickes
Gesicht, das jetzt in der Kälte blühend und frisch aussah.
    »Aber die Kunst sollte die Gesellschaft erziehen«, sagte Madeleine.
    »Zu was?« gab Walter zurück. »Zu sich selbst?«
    »Sie dann eben verschönern«, beharrte Madeleine.
    »Ich habe nichts gegen Schönheit einzuwenden«, erwiderte Walter.
»Anwesende eingeschlossen.«
    »Sie haben Ihren Beruf verfehlt, Walter!« sagte Keneally lachend. »Sie
sollten Diplomat werden!«
    »Ist das ein Angebot für einen Job, Senator?« fragte Walter.
    Keneally lachte wieder.
    »Und wäre es nicht ein wenig verfrüht?«
fügte Walter hinzu.
    Keneallys angenehmes Gesicht rötete sich vor Vergnügen. Sein Teint sah
unter den warmen Soffittenlampen des Majestic Theater golden aus.
    »Ach, wissen Sie«, sagte er, »ich glaube nicht, daß die Partei Adlai
Stevenson zum dritten Mal hintereinander auf den Schild hebt. Und was bestimmte
Texaner angeht...«
    »Glauben Sie, Amerika ist schon bereit für einen katholischen
Präsidenten?« fragte Marta.
    Sie sprach die Worte in ihrem lustigen Dialekt. Der Ausdruck in
Keneallys Augen zeigte jedoch, daß die Frage ihm nicht gefiel.
    Trotzdem klebte ihm das Lächeln noch im Gesicht, als er sagte: »Ich
glaube, die Amerikaner würden sogar

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