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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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seinem Schritt und
lächelte, als sie ihn steif werden fühlte.
    »Sie sind ja doch lebendig«, flüsterte sie. »Ich habe mich schon
gewundert.«
    Inwiefern?« fragte Walter.
    »Ob ich Ihnen überhaupt gefalle«, erwiderte sie. »Ob Sie überhaupt
Frauen mögen.«
    Weil ein Mann in deinen Augen schwul sein muß, wenn er dich nicht
haben will, dachte Walter.
    »Schmeicheln Sie sich deshalb nicht«, sagte Walter. »Nennen wir es
einfach Reflex-Reaktion.«
    »Dann fühle ich mich nur noch geschmeichelter«, sagte sie.
    »Hören Sie damit auf.«
    »Sie wollen nicht, daß ich damit aufhöre.«
    Sie preßte sich noch enger an ihn.
    »Wenn die Musik jetzt aufhörte«, sagte sie aufreizend, »würde jeder
sehen, daß Sie nicht wollen, daß ich aufhöre.« Sie rieb sich an ihm.
    Sie flüsterte: »Sie fühlen sich gut an. In mir würden Sie sich noch
besser anfühlen.“
    »Nein, vielen Dank.«
    Sie lächelte: »Macht nichts. Es kann bei mir auch so passieren, und
nur Sie und ich werden es wissen.«
    »Das können Sie für sich behalten, besten Dank.«
    Seine Stimme war jedoch dünn und gepreßt, und beide hörten sie es.
    »In Wahrheit kann ich es aber nicht, müssen Sie wissen«, sagte sie,
als ihre Hüften sich langsam an ihm rieben. Sie schloß die Augen, lächelte und
seufzte. »Sie meinen richtig?« fragte Walter. »Oder nur ein frisson!«
    »Was ich für ihn tun kann, kann sie nicht«, sagte sie plötzlich.
    »Aber er ist mit ihr verheiratet.«
    »Aber ficken wird er mich.«
    »Ihr Englisch wird immerhin besser.«
    Die Musik hörte auf. Marta lächelte ihn an und blieb ein paar Sekunden
dicht vor ihm stehen, bevor sie zur Seite trat. Sie ließ sich von ihm zum Tisch
zurückführen, wo sie sich neben Madeleine setzte und sagte: »Ihr Joe ist ein
wundervoller Tänzer, wie es scheint.«
    »Ja, das ist er«, erwiderte Madeleine.
    »Im Vergleich mit Walter Withers«, sagte Keneally, »bin ich ein
Tölpel.«
    Keneally lächelte, doch der Ausdruck in seinem Gesicht gab Marta zu
verstehen, daß sie der entscheidenden Grenze etwas zu nahe kam.
    »Wo haben Sie tanzen gelernt, Walter?« fragte Keneally.
    »Ach, meine Mutter ließ mich in eine dieser scheußlichen Tanzschulen
gehen, als ich ein Junge war«, erwiderte Walter. »Es war natürlich die reine
Folter für mich, um so mehr, als meine Partnerin ein rothaariges Mädchen mit
grünen Augen war. Sie hieß Jill und war meine erste Liebe.«
    »Und hat sie Ihnen das Herz gebrochen?« wollte Madeleine wissen.
    »Natürlich. Aber ihre Familie zog nach ein paar Monaten weg. Wir haben
einander noch ein paar Briefe geschrieben, und dann...«
    Der Kellner erschien. Keneally bestellte noch eine Runde; Champagner
für die Damen, einen Martini für Walter und einen Scotch on the Rocks für sich.
    Der Schlagzeuger trommelte einen schnellen Wirbel, und Annes Stimme
intonierte:
    » Ask me how do I feel
    Now that we're cozy and clinging.«
     
    Es waren die ersten Zeilen eines schneller als üblich gesungenen If I Were
A Bell.
    »Ich könnte wetten, daß auch Sie sich schon als Herzensbrecher
hervorgetan haben«, sagte Madeleine zu Walter.
    »Ich fürchte nein«, entgegnete er. »Nein, es ist mein Schicksal, im
Film immer die zweite Geige zu spielen. Der andere bekommt immer das Mädchen.«
    »Immer die Brautjungfer, nie die Braut?« fragte Keneally.
    »Etwa so.«
    Madeleine sah Marta spitz an. »Sie werden ihm doch nicht das Herz
brechen, oder?«
    »Nein, ich glaube, er wird mir das Herz brechen«, gab Marta zurück.
»Ich glaube nicht, daß er mich überhaupt liebt.«
    »Walter, Sie Schuft!« sagte Madeleine.
    »Die Sängerin ist fabelhaft«, warf Keneally ein.
    »Ja, nicht wahr?« quittierte Walter sofort.
    Und sieht auch noch umwerfend aus. Ein enganliegendes, klassisches
schwarzes Sängerinnenkleid, dazu die Perlenkette, die wir zusammen in Nizza
gekauft haben. Das Haar schimmerndes Gold. Und sie wird mir das Herz brechen.
     
    »And if I were a bell
    If I were a bell,
    If I were a bell Yd go
    Ding-dong ding-dong ding.«
     
    Die letzten Töne hingen wie Kristalle in der Luft; »ding-dong
ding«.
    Als wäre der Abend nicht schon spannungsgeladen genug, bat Keneally
Anne nach dem Auftritt an den Tisch. Sie kam und brachte das Glas gekühlten
Grapefruitsaft mit, das sie immer zwischen den Auftritten trank, und sagte mit
einem eiskalten Lächeln: »Hallo miteinander. Hallo, Walter.«
    »Hallo, Anne.«
    »Sie beide kennen sich?!« fragte Madeleine.
    »Jeder kennt Walter«, entgegnete Anne.

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