Manhattan Blues
arbeitete sich langsam durch den Saal, lächelte und
schüttelte Hände. Der Fotograf folgte ihm und schoß seine Fotos.
»Das war bezaubernd von dir«, sagte Walter zu Anne.
Sie zuckte die Schultern. »Ich bin nicht ihr Schutzengel.“
»Was für ein Segen.«
Sie heftete den Blick auf ihn und fragte: »Hast du heute abend
Kletterhaken und Seil mitgebracht? Um die schneebedeckten Gipfel der Miss
Marlund zu erklimmen?«
»Nett gesagt.«
»Eine Frage, die beantwortet werden will, mein
Guter.“
»Wenn das so ist«, sagte Walter, »das einzige, was
ich heute abend zu besteigen hoffte, war dein Bett.«
»Heute abend? Heute nacht? Etwa in den verbleibenden Stunden zwischen
jetzt und morgen früh?«
»Ich glaube, du hast es kapiert«, sagte Walter. »Diese Nacht.«
Ihre grauen Augen wurden hart wie Stein.
»Verbring die mit deiner Stockholmer Hure«, sagte sie, bevor sie sich
umdrehte und zum Podium zurückging.
Ja, dachte Walter, es ist nicht meine, Schwedin ist sie auch nicht,
und was die Hure angeht, ist das eine Frage der Interpretation, die ich lieber
nicht vornehmen möchte. Außerdem will ich nicht die Nacht mit ihr verbringen,
aber sonst...
Joe Keneally kam wieder an den Tisch.
»Was hält Frauen nur so lange auf dem Klo?« fragte er.
»Wahrscheinlich vergleichen Sie die Noten, die sie Ihnen geben«,
bemerkte Walter.
»Sie haben was Gemeines an sich, Walter«, sagte Keneally.
»Sagen wir, daß die Situation mich weniger entzückt«, gab Walter
zurück.
Mit einem törichten und zugleich stolzen Gesichtsausdruck sagte
Keneally: »Hören Sie, Walter. Es wird nicht Ihr Schade sein.«
»Unmöglich.«
»Dann tun Sie's für Madeleine.«
Walter riß den Mund auf. »Daß ich mir so was anhören muß«, sagte er.
»Ich werde Marta sowieso vögeln«, begann Keneally. »Und wenn Maddy es
herausbekäme, würde es ihr weh tun. Sie hat Sie mit Marta flirten sehen...«
»Haben Sie das etwa auch arrangiert?« fragte Walter.
»Marta ist ein guter Kumpel«, sagte Keneally. »Außerdem sind Sie
Junggeselle, also was schadet es?«
Walter erwiderte: »Der Schade ist, daß ich es äußerst geschmacklos
finde.«
»Forbes hat gesagt, Sie würden es tun«, gab Keneally zurück.
Natürlich hat er das getan. »Tatsächlich?« fragte
Walter. »Er sagte, Sie seien ein guter Angestellter.« Walter zündete sich eine
Zigarette an. »Himmel, Sie ist verdammt gut in der Kiste«, sagte Keneally.
»Eine Schande, ihr den Laufpaß zu geben.“
»Sie geben ihr den Laufpaß?«
»Ich muß«, erwiderte Keneally. Er beugte sich in seinem Stuhl vor und
fügte hinzu: »Sie glaubt, sie sei in mich verliebt.«
»Und ich nehme an, Sie erwidern diese Gefühle nicht.«
»Ich liebe es, sie zu vögeln, das steht bei Gott
fest.«
Walter zuckte zusammen, wußte aber nicht, ob wegen der Vulgarität oder
der Unverblümtheit oder beidem.
»Aber sie ist nicht die einzige Frau der Welt, die man bumsen kann«,
fuhr Keneally fort. Er lachte, beugte sich über den Tisch und flüsterte: »Marta
will, daß ich mich von Maddy scheiden lasse und sie heirate. Ich habe ihr
gesagt, daß ich lieber Präsident sein möchte.«
»Und sie lieben Madeleine«, gab ihm Walter das Stichwort.
»Und ich liebe Madeleine«, wiederholte Keneally. »Marta drohte, an die
Öffentlichkeit zu gehen, damit ich sie heiraten muß. Natürlich
war sie betrunken. Hatte mächtig geladen.«
»In Wodka veritas.«
Keneally sagte: »Also seien Sie so nett und sagen Sie es ihr, ja?«
»Verzeihung?«
»Seien Sie ein Kumpel und sagen Sie es ihr, ja?“
»Ich soll wem was sagen?« fragte Walter, obwohl er
es wußte.
Keneally sagte: »Sie sollen Marta sagen, daß es aus
ist.«
»Nein danke.«
»Seien Sie ein Kumpel.«
»Ich bin nicht Ihr Kumpel.«
»Sie könnten es aber sein«, entgegnete Keneally. »Es hat Vorteile,
mein Kumpel zu sein.«
»Ich weiß, daß es Marta Spaß gemacht hat.«
»Es wäre besser, wenn sie es von Ihnen hört«, sagte Keneally.
Walter dachte, ich will verdammt sein, wenn seine Augen keinen
mitfühlenden Ausdruck haben.
»Nein, es wäre besser, wenn sie es von Ihnen erfährt.“
»Sie mag Sie.«
Aber dich liebt sie, dachte Walter.
»Kümmern Sie sich darum, Walter«, sagte Keneally. »Heute abend,
nachdem ich ihr Zimmer verlassen habe. Dafür werden Sie doch bezahlt, nicht
wahr? Daß Sie sich um bestimmte Dinge kümmern? Also kümmern Sie sich darum.«
In dem Augenblick erschienen die Damen angemessen aufgefrischt wieder
am Tisch.
»Ich
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