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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Mädchen, kaum im Grundschulalter, stand hinter der Fliegengittertür. Das Bild erinnerte mich an Nova Algren, sie war auch einmal ein Kind gewesen – und war es noch, als sie ihren ersten Mord begangen hatte. Das kleine Mädchen vor mir trug einen orange-blauen Badeanzug.
    »Hi«, sagte es und blickte verwirrt zu mir hoch.
    »Ist es Mrs. Braxton, Schätzchen?«, rief ein Mann irgendwo im Haus.
    »Hm-hm«, sagte das kleine Mädchen.
    Ich hatte mir eine Geschichte zurechtgelegt. Mein Name sei Farthing, Mr. S. Farthing, und ich arbeitete für die Adoptionsagentur, die Sydney und Rhianon Quickzu dem kleinen rothaarigen Mädchen verholfen hatte, das hinter der Fliegengittertür stand.
    Ich lächelte das Kind an, während im Haus Schritte auf einem Teppich zu hören waren. Als der Mann hinter seiner Tochter auftauchte, löste sich die Lüge in Luft auf.
    »Ja?«, fragte er. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Hallo, Harry«, erwiderte ich. »Ich komme wegen Zella.«
    »Das bin ich«, sagte das kleine Mädchen leicht bestürzt.
    »Nicht du«, sagte ich, um ihre Ängste zu zerstreuen. »Jemand anderes, der genauso heißt.«
    Harry Tangelo alias Sydney Quick starrte mich mit dem gleichen Ausdruck der Verblüffung an, der sich im Gesicht seiner Tochter festgesetzt hatte.
    »Was wollen Sie?«, fragte er.
    »Ich muss mit Ihnen über die andere Zella sprechen.«
    »Das verstehe ich nicht. Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Ich bin Detektiv. Leute zu finden, ist mein Job.«
    »Hm.«
    »Kann ich reinkommen?«
    »Was wollen Sie?«
    »Das Urteil gegen meine Klientin, die Frau mit dem gleichen Namen wie Ihre Tochter, wurde aufgehoben.«
    »Sie ist draußen?«
    »Und was sie getan hat, tut ihr sehr leid.«
    Harry Tangelo klappte den Mund auf und starrte an mir vorbei in die Ferne.
    »Daddy, kann ich jetzt schwimmen gehen?«, fragte das Kind, schon gelangweilt von dem erwachsenen Kauderwelsch.
    »Ähm, ähm … Sicher, Schätzchen. Wie war noch Ihr Name, Mister?«
    »McGill. Leonid McGill.«
    »Möchten Sie mit in den Garten kommen, Mr. McGill? Ich hab gerade Wasser in Zells kleinen Pool gefüllt.«
    Es war bloß ein aufblasbares rotes Gummiplanschbecken. Es wurde aus einem grünen Schlauch mit Wasser gespeist, das über den Rand floss. Kreischend rannte Zella die Zweite los und sprang mit einem großen Platschen in den künstlichen Tümpel.
    Ich fühlte mich, als wäre ich selbst ins Becken gesprungen, und zwar dort, wo man nicht mehr stehen konnte. Ich beobachtete, wie Harry zu dem Hahn an der Hauswand ging, um das Wasser abzudrehen, und fragte mich, was ich als Nächstes tun sollte.
    »Setzen Sie sich, Mr. McGill.« Harry wies auf zwei Gartensessel aus Rotholz mit nach hinten geneigter Lehne. Ich ließ mich auf einem von ihnen nieder, er nahm den anderen. Wir waren beide ein bisschen nervös wie zwei Boxer in der ersten Runde eines Auswärtskampfs.
    Wäre er eine Frau gewesen, hätte man Tangelo als niedlich bezeichnet. Er hatte schwarzes Haar, volle Lippen und Augen, die abwechselnd mitfühlend und traurig wirkten.
    »Guck mal, Daddy!«
    »Was will Zella?«, fragte der leibliche Adoptivvater.
    »Sie möchte ihre Tochter sehen und sich dafür entschuldigen, was sie getan hat.«
    »Für den Raubüberfall oder die Schüsse.«
    »In der Rutgers-Sache ist ihre Unschuld mittlerweile bewiesen«, sagte ich. »Und der Staatsanwalt hat zugegeben, dass sie wegen der Schüsse mit verminderter Zurechnungsfähigkeit davongekommen wäre.«
    »Ich dachte, man hätte einen Teil des Geldes in ihrem Lagerabteil gefunden?«
    In einer Ecke des Grundstücks, das durch einen Kieferzaun von dem der Nachbarn abgetrennt wurde, stand eine riesige Ulme. Der Schatten, den der Baum warf, sah aus wie ein Flecken auf dem grünen Rasen. Die Düsternis schien angemessen.
    »Hallo«, rief eine Frau.
    »Mrs. Braxton!«, rief das Kind.
    Sie sprang aus dem Planschbecken und rannte zum Haus. Eine Frau mittleren Alters trat gerade durch die Schiebetür nach draußen. Trotz der Hitze trug sie ein violettes Kleid und einen weißen Pullover.
    Harry stand auf und folgte dem Mädchen. Er sprach mit der grauhaarigen weißen Frau und zeigte in meine Richtung.
    »Neeeiiin!«, klagte das Kind. Dann senkte die kleine Zella den Kopf und folgte der Babysitterin ins Haus.
    Als Harry zurückkehrte, war ich bereit, ihn in unseren seltsamen Wettkampf zu verwickeln.
    »Ich verstehe nicht genau, was Zella will«, sagte er.
    »Ich wurde von einem Anwalt namens Lewis engagiert, um die

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