Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Beweismittel zu untersuchen, die zu ihrer Verurteilung geführt haben«, sagte ich. »Meine Ermittlung hat bewiesen, dass sie nichts mit dem Raub zu tun hatte. Wir haben dafür gesorgt, dass sie aus dem Gefängnis entlassen wurde, und alles, was sie wollte, war, ihre Tochter zu finden und sich bei Ihnen zu entschuldigen. Aber als ich heute herkam, hatte ich ehrlichgesagt erwartet, Sydney und Rhianon zu treffen – nicht Sie.«
Meine Worte klangen wahr. Harry verzog das Gesicht und biss sich auf die Unterlippe.
»Ich habe nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus einen neuen Namen angenommen«, sagte er. »Ich bin Adoptivkind, wissen Sie, deshalb war es ohnehin nicht mein richtiger Name, jedenfalls nicht mein Geburtsname. Und weil ich selbst adoptiert worden bin, habe ich eine Menge Geld ausgegeben, um die kleine Zella zu bekommen. Sie ist meine leibliche Tochter, und ich werde nicht zulassen, dass sie wie ich unter Amtsvormundschaft kommt.«
»Ihre Mutter würde sie liebend gern sehen.«
»Ihre Mutter hat drei Mal auf mich geschossen.«
»Das ist lange her, Harry.«
Es fühlte sich gut an, einen klar umrissenen Aspekt dieses Falls zu verhandeln. Zella wollte ihr Kind sehen. Das besagte Kind war bei seinem Vater und wuchs geborgen und sicher auf.
»Hallo, Schatz«, rief eine Frau von der Glastür aus.
»Hey, Babe«, sagte der Mann, der Sydney Quick genannt wurde.
Ich blickte auf, in den Garten kam Claudia Burns alias Minnie Lesser und jetzt auch alias Rhianon Quick. Ich stand auf. Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte mich wütend an.
»Was?«, fragte Harry/Sydney.
Die Frau wollte sich umdrehen und wegrennen – das konnte ich deutlich erkennen.
»Ich bin schon in Ihrem Haus, Minnie«, sagte ich. »Ich bin schon hier.«
Wenn sie Epileptikerin gewesen wäre, sie hätte in diesem Moment einen Anfall gekriegt. Sie atmete tief ein und kam auf uns zu.
»Ihr kennt euch?«, fragte Harry.
»Mr. McGill war heute im Büro«, sagte sie. »Er hat mit Mr. Brighton gesprochen.«
»Weshalb?«
»Auch wenn die Gerichte Ihre Ex-Freundin rehabilitiert haben, ist Rutgers offenbar nicht so leicht zu überzeugen«, sagte ich. »Sie setzen meiner Klientin zu, und ich wollte darum bitten, dass man sie in Ruhe lässt.«
»Das verstehe ich nicht«, murmelte Harry. »Sind Sie wegen Zellas Tochter hier oder wegen des Raubüberfalls?«
»Ich will, dass Sie mein Haus verlassen«, erklärte Minnie.
»Und ich gehe, sobald ich davon überzeugt bin, dass Sie und Harry nichts mit Brighton, dem Raub und den Leuten zu tun haben, die versucht haben, mich umzubringen.«
»Sie umzubringen?«, fragte Harry.
»Geben Sie mir fünfzehn Minuten, danach lasse ich Sie gern allein.«
48
Harry und Minnie teilten sich den Stuhl neben mir. Er hatte einen verwirrten Ausdruck in seinem niedlichen Gesicht, während ihres kalte Wut ausstrahlte.
»Wie kommen Sie darauf, dass diese Leute, die versuchen, Sie umzubringen, irgendwas mit Zella zu tun haben?«, fragte Harry.
»Es ist mein einziger aktueller Fall«, sagte ich, »und die Polizei glaubt, dass schon mindestens drei Männer wegen der Sache gestorben sind.«
»Was sollten wir damit zu tun haben?«, fragte Minnie.
»Sie arbeiten für Rutgers«, sagte ich. »Das allein reicht schon.«
»Aber …« Sie wollte meine Behauptung zurückweisen, doch bevor sie den Satz beenden konnte, kam ihr ein Gedanke. Sie sah Harry an, und er blickte auf den Rasen.
»Harry?«, fragte sie.
Er sah zu mir auf.
Harry/Sydney war kein dummer Mann, doch er hatte auch keinen starken Charakter. Seine Miene verriet, dass er clever genug war, um Ärger zu kriegen, aber zu schwach, um sich wieder rauszuboxen.
»Ein Mann ist zu mir gekommen«, sagte er.
»Dein Freund Stumpy Brown«, warf Minnie ein.
»Ich kannte ihn vorher eigentlich gar nicht, Schatz«, sagte Harry und fuhr an mich gewandt fort: »Er bot mir Geld an und eine Möglichkeit, der ganzen Publicity zu entgehen. Außerdem hat er mir bei der Adoption von Zella geholfen.«
»Stumpy?«, fragte ich. »Was ist denn das für ein Name?«
»Einen anderen habe ich nie von ihm gehört. Er hat gesagt, er sei ein freier Mitarbeiter von Rutgers. Er müsse alles über den Raubüberfall wissen. Er hat mir Geld angeboten und Minnie einen Job.«
»Hatte er keine Angst, dass irgendjemand bei Rutgers sie erkennen könnte?«
»Was für Geld?«, fragte Minnie.
»Ihr Name und ihr Bild waren nach der Schießerei nicht in der Zeitung«, sagte er. »In derselben Woche
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