Manhattan Projekt
hielten zusammen, und es verging kein Tag, an dem nicht ein Nachbar oder eine Nachbarin mit dem Kanu vorbeigekommen wäre, um nach dem Rechten zu sehen. Auch Torrey hatte Blaine drei oder viermal zu ähnlichen Ausflügen mitgenommen. Man kümmerte sich zwar umeinander, kam sich aber nicht in die Quere. Es würde vermutlich nie dazu kommen, sie alle zusammenzubringen, trotzdem waren sie eine Gemeinschaft.
»Also gut, ich rede über Familie«, sagte Buck. Er saß in der Hocke, die Flasche Bier zwischen den Knien. »Sei froh, daß du dir nie eine angeschafft hast.«
»Ich wollte nie seßhaft werden.«
»Du wolltest nie etwas anderes sein als das, was ich dich lehrte, zu sein. Ich erinnere mich, wie du vor drei Wochen auf dem Steg gestanden hast, du sahst noch genauso aus wie damals '69. Von weitem hast du dich überhaupt nicht verändert.«
»Ich habe mich verändert. Das weißt du jetzt.«
»Nicht genug, um eine Familie zu wollen.«
»Nein.«
»Nicht genug, um deine Waffen an den Nagel zu hängen und eine Zeitlang der großen weiten Welt zu entsagen.«
»Das ist richtig.«
»Und du kommst hierher, zu mir, um sicherzustellen, daß du so bleiben kannst.« Buck nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier. »Ich hätte dich fortschicken sollen. Der Sheriff meinte, ich sollte dir nicht wieder auf die Beine helfen. Ich habe darüber nachgedacht, verdammt noch mal! Ob ich dir damit überhaupt einen Gefallen tue.«
»Warum hast du mich dann nicht fortgeschickt?«
Torrey lehnte sich gegen seinen Pfahlbau. »Weil ich wollte, daß es wieder so ist wie früher. Vielleicht weil ich glaube, daß du derjenige bist, der die Dinge richtig sieht, und daß ich dich begleiten müßte.«
»Dann komm mit mir.«
Torrey lächelte, aber er sah nicht besonders glücklich dabei aus. »Einem alten Hasen wie mir kannst du keine neuen Tricks beibringen, mein Junge. Als ich deine Nachricht bekam, habe ich gehofft, sie sei von meiner Tochter.«
»Sie besucht dich manchmal?«
Torrey umklammerte die Bierflasche. »Hab' sie nie eingeladen. Ich hab' sie nicht mehr gesehen, seit ich diesem General die Fresse poliert habe. Du weißt schon, ich habe sein Kinn zertrümmert. Er mußte sechs Wochen lang die Suppe mit einem Strohhalm trinken.«
»Er hat dir einen neuen Trick beigebracht«, sagte Blaine.
Blaine blieb noch eine Weile auf, nachdem Buck sich ins Haus zurückgezogen hatte. Er bewegte die Schultern auf und ab, stand auf, hielt sich am Geländer fest und verlagerte sein ganzes Gewicht auf sein krankes Bein. Es tat nicht mehr weh, und er ließ zufrieden das Geländer los.
Am Tage nach Blaines Ankunft hatten sie sich an die Arbeit gemacht. Buck hatte darauf bestanden, daß Blaine seine Khakiuniform gegen einen alten Drillichanzug eintauschte, der zwar viel zu warm war, ihn aber davor bewahren sollte, daß ihn die Insekten bei lebendigem Leibe auffraßen. Sie hatten mit dem Boot alle Pfahlbauten hinter sich gelassen und hielten im Matsch an einer seichten Stelle.
»Also gut«, befahl Sergeant Major Torrey. »Steig aus.«
Blaine glitt ohne zu zögern aus dem Ruderboot. Es war die gleiche Stimme, wie er sie Jahre zuvor vernommen hatte, nur diesmal etwas rauher – das Ergebnis von tausend Schachteln Zigaretten. Blaines Stiefel berührten den Boden und versanken augenblicklich bis zu den Knöcheln.
»Und jetzt?« fragte Blaine eifrig.
»Und jetzt, Sir?« verbesserte ihn Buck Torrey. »Jetzt beginne ich zu paddeln, und du beginnst zu gehen.«
Blaine versuchte den Fuß zu heben. »Zu gehen?«
»Hast du die Kugel in der Hüfte oder in deinem Hirn? Jawohl, gehen!«
Blaine zog erst seinen gesunden Fuß heraus und fühlte, wie es rund um ihn matschte. Er zögerte kurz, bevor er den anderen nachzog, biß die Zähne zusammen und hob den Fuß. Seine Hüfte schmerzte, als ob jemand mit einer Glasscherbe daran gekratzt hätte, doch sein Fuß hatte sich aus dem Dreck befreit und sank wieder zu Boden. Jetzt war wieder das gesunde Bein dran, und die gleiche Prozedur wiederholte sich, bis nach zehn Schritten die Versuchung, sich zu strecken und nach dem Boot zu greifen, fast unerträglich wurde.
Nach dem zwanzigsten Schritt war es unerträglich. Er wollte nach dem Boot greifen und erhielt zur Belohnung einen Hieb mit dem Paddel auf die Finger.
»Habe ich etwas von einer Pause gesagt, mein Junge?«
»Nein.«
»Nein …?«
»Nein, Sir.«
»Mach weiter.«
Blaine tat, wie ihm befohlen war. Hin und wieder hatte er Glück, und der Boden wurde
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