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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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andauernde Mahlzeit. Ich weiß nicht, wann der Typ Zeit hat, mal scheißen zu gehen oder laut zu werden, denn er sitzt immer am Tisch. Die Kellner hier laufen hin und her und bringen
ihm Pasta, bringen ihm Saucen, bringen ihm Ravioli, Fleischbällchen, Würste, Käse, und dann das Gebäck … Kennst du noch diese Bäckerei in der Minetta Street?«
    »Aber sicher.«
    »Der Inhaber hat sich vergangene Woche so ein gottverdammtes Boot gekauft, wollte es ›The Albert‹ nennen, aber da haben ihm einige Jungs gut zugeredet und ihm gesagt, Albert könne ihm das vielleicht übelnehmen, verstehst du?«
    »Und wie hat er es dann genannt?«
    Paulie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Hat es wahrscheinlich nach seiner Frau benannt, es sei denn, die sieht auch nicht gerade wie Audrey Hepburn aus. Du willst also, dass ich mich erkundige, ob Albert ein paar Minuten Zeit hat?«
    »Bitte.«
    »Keine Ursache. Ich bin dir was schuldig.«
    Ein paar Minuten später saß Walter an Albert D'Annunzios privatem Tisch im Hinterzimmer und sah zu, wie der fettleibige Mobster einen Teller mit Fettucine Carbonara und dazu Tintenfisch und Parmaschinken verzehrte.
    »Haben Sie schon gegessen?«, fragte Albert, als Walter sich setzte.
    »Ja, besten Dank«, erwiderte Walter.
    »Paulie ist ein guter Junge«, sagte Albert. »Ich hätte nie zulassen dürfen, dass er diese Kurse an der New York University belegt. Jetzt will er nur Bücher lesen und jüdische Mädchen vögeln. Ich bin jedenfalls froh, dass es geklappt hat. Ich habe ihm aber gesagt, keine Schriftsteller mehr.«
    »Ich glaube, er hat die Botschaft verstanden.«
    »Das hoffe ich«, murmelte Albert mit vollem Mund. »Nun, was ist mit Ihnen?«
    »Ich bin gekommen, um Sie um einen Gefallen zu bitten«, sagte Walter.
    Die Bitte wurde ihm gewährt. Anschließend plauderten sie noch ein wenig, und auf dem Weg hinaus sagte Walter: »Paulie, da ist noch eine Kleinigkeit, die ich brauche.«
    Als er hörte, worum es ging, sagte Paulie: »Das soll wohl ein schlechter Witz sein, oder?«
    Aber Walter war keineswegs nach Witzen zumute, und damit saß Paulie in der Klemme, da er genau wusste, dass er Walter noch etwas schuldig war. Folglich erklärte Paulie, er werde alles Nötige veranlassen, worauf Walter sich überschwänglich bei ihm bedankte.
    Anschließend war nur noch eine letzte Angelegenheit zu erledigen. Walter ging zu Village Cigars und kaufte sich ein Päckchen Kaugummi. Danach bestieg er am Sheridan Square die U-Bahn und schrieb auf einen Zettel: Battery Park bei Tagesanbruch. Ich werde auf einer Bank sitzen und nach Westen blicken. Stellen Sie Ihre Bedingungen. Er stieg an der 96. Straße aus, ging zum Thalia, kaufte sich eine Eintrittskarte und setzte sich auf den gleichen Platz, den Anne gehabt hatte. Er zog die Notiz aus der Tasche, nahm den Kaugummi aus dem Mund und klebte damit den Zettel an die Unterseite des Stuhls. Er sah sich ein paar Minuten von Im Zeichen des Bösen an, ging dann wieder zur U-Bahn und fuhr nach Hause.
    Er nahm noch schnell einen Schlaftrunk – Scotch mit Wasser – und sank ins Bett. Der morgige Tag würde früh anfangen und lang werden. Es war sehr gut möglich, dass es sein letzter wurde.
    Er war jedoch begierig zu sehen, wer auf die Notiz reagieren würde. Wer immer es war, er hatte Marta und Alicia getötet und würde vermutlich versuchen, auch ihn umzubringen.
    In jener Nacht schlief er tief und traumlos.

RUBY, MY DEAR
    Dienstag, 30. Dezember 1958
    Also Tagesanbruch im Battery Park.
    Walter saß an der Südspitze Manhattans auf einer Bank, als die Sonne aufging. Sie glänzte eher silbern als golden im Winternebel über Brooklyn. Er spürte ihre leichte Wärme auf dem Rücken, denn er saß mit dem Gesicht nach Westen – wie in seiner Nachricht angekündigt – und blickte auf die Freiheitsstatue, diese einsame Dame, die in dem schwarzen und unruhigen Gewässer der Upper Bay schwach, klein und fern aussah.
    Battery Park bei Tagesanbruch , hatte er geschrieben. Ich werde auf einer Bank sitzen und nach Westen blicken. Stellen Sie Ihre Bedingungen.
    Er wollte sie wissen lassen, dass sie sich ohne Gefahr nähern konnten. Er selbst saß auf diesem öden Landstreifen völlig im Freien, die perfekte Zielscheibe, wenn es das war, was sie wollten. Er setzte darauf, dass es nicht so war.
    Und wenn es doch so ist, werde ich es nie erfahren, dachte er. Jedenfalls nicht in dieser Welt. Ich werde nur ihre Schritte hören, wenn sie näher kommen, dann eine kurze

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