Manhattan
trafen, der den Senator nicht öffentlich unterstützen wollte. Doch plötzlich bekam Walter Lust auf einen einsamen Drink im Oak Room, bevor er zu der vermutlich hysterischen Party im Village fuhr.
Ein stiller Drink in einer alten dunklen Bar. Das hörte sich gut an und würde ihm die Chance geben, auch den Barkeepern frohe Weihnachten zu wünschen. Also trottete er in die altehrwürdige Oak Bar, um dort über das Leben, die Politik, die Liebe und die Schönheit eines Single Malt nachzugrübeln.
Er hätte es auch tatsächlich genossen, wenn da nicht Joe Keneally mit ein paar Kumpanen in einer dunklen Ecke gehockt hätte, eingehüllt in eine sprichwörtliche Wolke aus Zigarrenrauch. An einem Tisch auf der anderen Seite des abgedunkelten Raums saß Marta Marlund allein. Walter sah, wie Jimmy Keneally bei ihr vorbeiging und ihr den Schlüssel auf den Tisch legte.
Und er sah, wie Joe Keneally hochblickte und lächelte.
Walter beschloss, auf den Drink zu verzichten.
Der Gitarrist lächelte und nickte, als Walter sich durch das Gedränge im Cellar einen Weg bahnte.
Elvin Page war bei ihren festen Engagements Annes Beglei
ter. Er lieferte die kühlen Akkorde, um die ihre Stimme sich ranken und von der sie sich entfernen konnte, um dann zu seinem Grund-Beat zurückzukehren. Jetzt saß er auf dem kleinen Podium und spielte ein Solo. Seine langen Finger glitten über die Saiten und die Tonleiter hinauf und hinunter. Er spielte lieber ohne Plektrum, da er das Gefühl hatte, mit seinem dicken, schwieligen Daumen einen besseren Sound zu erzeugen. Er war wie immer korrekt gekleidet und trug heute Abend einen dunkelblauen Anzug mit einem weißen Hemd und einer blutroten Krawatte. Sein rundes braunes Gesicht glänzte vor Schweiß.
Walter winkte, als er sich aus seinem Mantel zwängte. Er hielt Ausschau nach Anne, entdeckte sie in dem überfüllten Club aber nicht.
Der Cellar war gedrängt voll mit Angehörigen der Boheme. Schwarz war bei der Ostküsten-Avantgarde die Modefarbe der Saison, und die Dichter, Musiker und Künstler sahen in dem dichten Zigarettendunst aus wie Schatten. Wahrlich eine kosmopolitische Gruppe, das gestand ihnen Walter ohne weiteres zu. Heimatlose Iren in Tweedjacketts brüteten über Bierbechern, während sie versuchten, modisch ausgemergelte Typen mit korrektem Haarschnitt und Rollkragenpullovern von etwas zu überzeugen. Elegant gekleidete schwarze Jazzmusiker in dunklen Anzügen, weißen Hemden und schmalen schwarzen Krawatten hörten geduldig zu, wenn sie von den jeanstragenden Überresten der Alten Linken in ernste Gespräche über Bürgerrechte verwickelt wurden. Einige Künstler, deren Hemden ostentativ mit Farbe beschmiert waren, tranken billigen Wein und musterten die schlanken College-Mädchen in ihren schwarzen Trikots und Strumpfhosen.
Der Cellar passte zu dieser düsteren Kleidung. Der Stuck an den Wänden war abgeschlagen worden und hatte kahle ro
te Klinkersteine freigelegt. Einige Film-Poster – Fahrraddiebe, … denn sie wissen nicht, was sie tun , und Jules und Jim – waren bewusst schief an die Wände geklebt worden. Die Stühle und Tische waren buchstäblich Abfall und stammten vom Sperrmüll. Man hatte sie abgebeizt und mit etwas Firnis wieder aufgemöbelt. Die niedrige Decke war voller Wasserflecken, die verrotteten Leitungen tropften, und die freiliegenden Kabel konnten in jedem Moment eine Massenhinrichtung auslösen. Es war der amerikanische Underground der Ostküste, und die Tatsache, dass er sich in einem Keller traf, war eine rein zufällige Symbolik.
Walter schluckte seine Abneigung herunter und konzentrierte sich auf die Musik, als Elvin Page mit klaren, präzisen Tönen die Kakophonie aus politischem Geschwätz, Süßholzgeraspel, klirrenden Gläsern und dem Summen eines Mixers, der irgendein übles Gebräu zusammenrührte, durchschnitt.
»Wo ist die Braut?«, fragte Mickey Evans, als er Walters Smoking sah.
»Habe ich auf der Hochzeitstorte zurückgelassen«, gab Walter zurück. Er schüttelte dem Saxophonisten die Hand. »Frohe Weihnachten …«
»Ho-ho-ho«, erwiderte Evans.
Walter dachte wieder einmal, dass Evans der untypischste Musiker war, den er je gesehen hatte. Niemand würde glauben, dass er Jazzsaxophonist war. Er war hochgewachsen, mager, blond, ein weißer Junge aus dem sonnendurchglühten Farmland in der Nähe von Bakersfield. Er hatte große und grobknochige Handgelenke, und sein Gesicht war verwittert von einer Jugend, die er auf den
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