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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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langweilten sich oft an Feiertagen. Sie waren keine wirklichen Familienmenschen, und es konnte sein, dass sie eine Ausrede erfunden hatten, um nach dem Dinner aus dem Haus gehen zu können.
    »Wie viel schulden Sie ihm?«, fragte Walter.
    »Zweitausend.«
    »Wie viel davon sind Zinsen?«, fragte Walter.
    »Etwas mehr als die Hälfte.«
    »Und es wird jeden Tag mehr.«
    »Und es wird jeden Tag mehr.«
    »Footballspieler sind verdammt miserable Football-Wetter«, sagte Walter.
    »Stimmt das?«
    »Es hat den Anschein«, sagte Walter und lächelte. »Tatsächlich sind nur Schriftsteller noch schlechtere Wetter als Ex-Spieler.«
    McGuire lachte und nahm einen weiteren Schluck Bier. Er wühlte in seinen Hosentaschen und zog ein paar rote Pillen heraus.
    »Als Schriftsteller tauge ich in letzter Zeit auch nicht mehr viel«, sagte McGuire. »Wollen Sie wissen, was das Beste und das Schlimmste war, das mir je widerfahren ist?«
    »Nicht unbedingt.«
    »Die New York Times hat mich ein Genie genannt«, erwiderte McGuire. »Die Stimme meiner Generation. Der ›Beat‹-Generation. Das war das Beste und das Schlimmste zugleich. Der eigentliche Kritiker war im Urlaub, haben Sie das gewusst? Ein Urlaubsvertreter hat über mein Buch geschrieben. Ein blöder Zufall. Macht mich berühmt, und damit war die Sache vorbei.«
    »Vorbei?«, fragte Walter.
    »Verstehen Sie, wenn die New York Times irgendwas bemerkt, ist es damit schon lange vorbei. Ein Buch ist wie das Licht von einem fernen Stern, Mann. Wenn man ihn sieht, ist er schon längst tot.«
    Du musstest also erst herausfinden, wie du verlieren kannst, dachte Walter. Du schreibst ein Buch, das »Beat« sein soll und hast gleichzeitig Riesenerfolg damit, und der Widerspruch ist unerträglich. Du bist ein Star des Establishments, weil du ein Rebell gegen das Establishment bist, und was fängst du dann mit dir an? Ein ehrlicher Mann kann wohl nur eins tun, nämlich das Geld nehmen und alles bei einer dummen Wette verlieren.
    Um wieder geschlagen zu werden.
    »Wieso sind Sie wirklich hier?«, fragte McGuire.
    »Ich habe Ihr Buch gelesen«, erwiderte Walter.
    Eine Antwort, die nur ein Schriftsteller akzeptieren würde, dachte er. Nur das Ego eines Autors kann glauben, dass eine Motte ausgerechnet von dem strahlenden Licht seines Talents angezogen wird.
    Walter fügte hinzu: »Es hat mein Leben verändert.«
    Was heißen sollte, dass er sich mehrere Stunden tödlich gelangweilt hatte, statt einen angenehmen Sonntagabend zu verbringen. McGuire sah Walters Tweedanzug an, die polierten Bancroft-Schuhe, die Gordon-Krawatte und grinste schief. »Ja, es hat Ihr Leben verändert.«
    Walter fügte hinzu: »Ich würde Ihnen gern helfen.«
    »Haben Sie zwei Riesen für mich?«, fragte McGuire.
    »Nein«, sagte Walter.
    »Wie können Sie dann helfen?«
    Vorwurfsvolle Worte, wie Walter bemerkte, aber immer noch klingt die schwache Hoffnung des ertrinkenden Mannes durch, dass die nächste Welle vielleicht eine Planke heranspült, an die er sich klammern kann. Und Schriftsteller, Gott segne sie, glauben an Gelegenheiten. Glauben an die Gerechtigkeit ihrer Erlösung. Glauben an die Realität von Illusionen. Und die erste Illusion gerade dieses Schriftstellers besteht darin, dass das Hinkritzeln eines Romans, der literarisch einem ausgedehnten Masturbationsakt gleichkommt, ihm bestimmte Rechte gibt. Und die Grundregel bei der Anwerbung des Gegners lautet, dass man die Natur seiner Illusionen erkennen muss und ihn nie mit der Realität enttäuschen darf. Bis man keine weitere Verwendung für ihn hat, natürlich.
    Folglich sagte Walter: »Ich kann Hilfe beschaffen.«
    McGuire stopfte die Dexedrin-Tabletten in den Mund und spülte sie mit Bier hinunter.
    »Ich könnte einen Schutzengel gebrauchen«, sagte er. »Die Engel, die ich kenne, sind alle hoffnungslose Poeten, kaputte Musiker und buddhistische Heilige mit einem knurrenden Magen und einem Affen auf dem Rücken.«
    Walter lächelte wohlwollend. Diese Ansprache hätte direkt aus dem Lehrbuch kommen können. Doch das war gut so: Erst muss man die Zielperson dazu bringen, dass sie einem ih
ren besten Partytrick vorführt und versucht, einem zu gefallen. Dann belohnt man sie.
    »Haben Sie schon gegessen?«, fragte Walter.
    »Mann, ich habe nicht mal gefrühstückt«, erwiderte McGuire. »Vom Dexedrin und dem Bier mal abgesehen.«
    Der Bär tanzt immer noch, bemerkte Walter.
    »Gibt es ein Lokal hier in der Nähe?«, fragte er, obwohl er jedes Lokal im

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