Mann mit Anhang
seiner Expeditionen begeben. Ich bin gleich zurück«, sagte er.
»Laß mich nicht allein, Roni.«
»Keine zwei Minuten.«
Dachte er! Aber Jacky dachte
anders. Ronald umkreiste alle Tische, an denen gegessen wurde, er erkundigte
sich bei den Gästen und fragte die Kellner, aber niemand konnte ihm Bescheid
geben. Wahrscheinlich trieb Jacky sich in der Nähe der großen Freßquelle umher.
Ronald kannte seine Vorliebe fürs Küchenpersonal.
»Jacky! Jacky!«
Nichts rührte sich. Ronald schritt,
den Blick besorgt auf den großen Minutenzeiger der Uhr gerichtet, wie ein
Feldwebel, der einem fahnenflüchtigen Soldaten nachspürt, durch den Speisesaal.
Als er wieder an Jeannette vorbeikam, puderte sie sich gerade die Nase und
zwinkerte ihm über den Rand des Spiegels zu. »Ich habe ihn gleich, er kann
nicht weit sein. Wahrscheinlich wird er sich draußen in der Halle umhertreiben.
Oder er sitzt beim Auto«, murmelte er.
Draußen in der Halle irrte er
zwischen den Menschen hin und her. Dort drüben der Flughafenbeamte mit dem
wachen Gesicht und der scharfen Brille wußte vielleicht Bescheid. Ronald
steuerte auf ihn zu. »Haben Sie zufällig einen kleinen Foxterrier gesehen? Mit
einem roten Halsband?« Der Bebrillte bedauerte. Seine Miene schien zu sagen,
daß es nicht zu seinen Obliegenheiten zählte, Foxterriers zu sehen. Er sah nur
Sechsmotorige.
Ronald wurde ärgerlich auf den
Mann, auf Jacky, auf sich selbst und sogar auf Jeannette, die es sich in den
Kopf gesetzt hatte, um 16.15 Uhr zu fliegen, ärgerlich auf die ganze Welt. Die
Welt war wirklich ein Theater, aber kein gutes. Ein Schmierentheater war sie,
mit mittelmäßigen Stücken und einer mittelmäßigen Besetzung vor zu grell
gepinselten Kulissen.
Vor den Andenkenläden drängten
sich Leute, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, nutzlose Dinge zu
kaufen und hoch durch die Lüfte in einen anderen Erdteil zu entführen. Ich
müßte Jeannette auch etwas in die Hand drücken, irgendeine kleine
Aufmerksamkeit, fuhr es Ronald durch den Kopf. Ein Münchner Kindl womöglich?
Quatsch. Einen bayrischen Maßkrug mit Spieluhr, die >Muß denn zum Städtele
hinaus< spielte? Einen Füllfederhalter? Einen Aschenbecher in Herzform? Am
besten wohl einen spitzen Brieföffner, mit dem sie mich erdolchen kann. Ich bin
eine schreckliche Niete.
Die Angst um den Hund würgte
ihn. Vorgestern in der Abendzeitung war wieder mal über das mysteriöse
Verschwinden von Hunden berichtet worden. Jacky war ein attraktiver
Foxterrier-Herr in den besten Jahren. Seine gute Rasse verriet sich in jedem
seiner Barthaare, aber seine ordinäre Gefräßigkeit verdarb seinen Charakter.
Für einen Wurstzipfel war er käuflich und ließ sich fangen. Ein kleiner
Rassehund verschachert sich leicht, dachte Ronald.
Die Zeit verging, Herrgott im
Himmel! Er wollte rasch ein paar Blumen besorgen und sie Jeannette in die Hand
drücken, ehe er seine Suche fortsetzte. Ein Orchideengebinde? Nein, zu
kitschig, das paßte nicht zu Jeannette. Sie hatte gelbe Rosen immer so geliebt,
er erinnerte sich genau daran. Als er den Blumenstand mit einem riesigen Bündel
langstieliger gelber Rosen verließ, gellten langgezogene Schmerzenslaute durch
die Halle.
Jacky! Das war Jacky!
Wo kam dieses Gejaule, das die
Halle erfüllte, her? Ronald lief zum Ausgang und hielt Ausschau. War Jacky
vielleicht von einem Auto angefahren worden? Ein Junge mit einem
kurzgeschorenen Kugelkopf kam aus dem Gebäude gelaufen. Er schrie: »Daddy come
quick!« und aus einem postkutschengelben Cadillac, der dort geparkt hatte,
schälte sich ein baumlanger Amerikaner mit einem feisten, gutmütigen Gesicht.
Er lief dem Jungen, der auf ihn einredete, entgegen, und dann stürmten beide
über den Park platz dem Hauptgebäude zu.
Ronald schnappte das Wort
>dog< auf, während er mit dem riesigen Rosenstrauß hinter den beiden
herlief.
Jackys Schmerzenslaute wurden
stärker. Als Ronald den kleinen Vorraum erreichte, in den die Treppe von der
oberen Terrasse mündete, sah er ein Knäuel gestikulierender Menschen.
Mittelpunkt war Jacky. Der
Amerikaner und der Junge hatten sich eine Bahn durch die Menschen gebrochen,
und Ronald schloß sich an. Er stand vor dem Drehkreuz, das immer nur eine
Person durch den schmalen Engpaß ließ, und sah die Bescherung. Die Eisenstangen
hatten Jacky in die Zange genommen und zwischen Wand und Drehkreuz eingeklemmt.
Zorn, Angst, Schmerz und Ratlosigkeit entlockten ihm ein herzzerreißendes
Gejaule. Das
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