Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
ich. »Ne Domina! Das wird bestimmt lustig.«
»Klar stehe ich auf SM«, lüge ich frivol. Emma lasse ich mir sicher nicht entgehen. »Auf was genau?«, fragt sie kritisch. »Ich stehe nämlich nicht so auf Anfänger.« Ich phantasiere etwas von Peitschen, heiÃen Kohlen und Handschellen. Von SM habe ich null Ahnung. Bei Peitschen denke ich an Indiana Jones und bei AndreasÂkreuzen an Bahnübergänge. Sonst an nichts. Sie ist immer noch skeptisch, aber es reicht aus, um mich zu treffen.
Ich öffne die Tür zum Café, blicke auf den Tresen, dann in die Runde und schlieÃlich in die rechte Ecke. Wo ist sie denn? Ich drehe mich um die eigene Achse. Ein Mal, zwei Mal. Und bleibe mit dem Blick in der rechten Ecke hängen. Mir stockt der Atem. Die kenne ich doch!
In der rechten Ecke sitzt eine groÃe, sehr dicke Frau mit rundem, freundlichem Gesicht und Pagenschnitt: »BerlinerKindl44«, mein groÃes, gelbes, klebriges Post-it. Emma sei ihr Zweitprofil, erfahre ich, was aber überhaupt nichts mache, denn auch Prinzessin Eisenherz stehe auf mittelalterliche Folterspiele. Und somit haben wir ein Thema, über das wir zwei Bier lang sprechen: Âglühende Nadeln, Klammern, Lederkorsagen, Spielwiesen und den Farbton von Geschlechtsteilen, wenn sie in Ringe gequetscht werden. Meine nicht vorhandene SM-Erfahrung fliegt schon nach fünf Minuten auf.
Sie: »Na, was hast du den schon in Richtung SM ausprobiert?«
Ich: »Na ja, Haare ziehen und ein Klaps auf den Po ist schon mal drin.«
Sie (mildes Lächeln): »Das ist noch kein SM, das ist eher so Ringelpietz mit Anfassen, was du meinst.«
Aha, denke ich. SM ist also Ringelpietz mit Auspeitschen.
Ãber Fetische zu reden ist in etwa so, wie über seltsame Hobbys zu reden. Wenn man nicht gerade das gleiche Interesse hat, ist es ziemlich langweilig. Und ich stehe einfach nicht auf SM. Ich finde es weder pervers noch übermäÃig ausgefallen. Es interessiert mich nur nicht. Genauso gut hätte sie mir mit Begeisterung davon erzählen können, dass sie rosa Tauben züchtet, Geranien zwischen Buchseiten trocknet oder Kratzbildchen herstellt. Ich hätte höflich genickt und mein Bier genauso schnell getrunken.
Und so erfahre ich nebenbei und ohne es wirklich zu wollen, dass sie als Geschäftsfrau »in leitender Stellung«, wie sie sagt, eben in ihrer Freizeit in Läden geht, die »Schwelle 7«, »Gargoyle« oder »Quälgeist« heiÃen. Dort trifft man dann allerhand skurrile Gestalten an: eine dicke Frau mit Bart, eine Zwergin, einen Muskelmann mit Brüsten, eine Lesbe in Armeeklamotten oder seine Azubine in bedenklichen Stellungen. Das sei einem Bekannten von ihr mal passiert. Mein Interesse ist noch immer nicht geweckt. Das Berliner Nachtleben ist bunt. Und die menschliche Sexualität auch. Wer wusste das nicht? »Und dann zieht ihr euch am Penisring durch die Manege?«, will ich wissen. »Na ja, kommt darauf an, wer auf was steht. Ich bin ja eher devot«, meint sie.
Ich reiche ihr die Hand zum Abschied und bedanke mich für die tiefen Einblicke. Sie guckt etwas traurig.
Hätte ich ihr etwa zum Abschied links und rechts eine verpassen sollen?
Wie man es macht, macht man es falsch bei den Frauen.
Jetzt wirdâs schmutzig â oder: »Warum liegt hier eigentlich Stroh?«
Es ist Samstagmittag, und in meinem Postkasten blinkt eine Mail:
»Hi, hier ist Amber Waves. Na, Dirk Diggler, was machst du heute Abend so?«
Ambers Nickname ist eigentlich »Katja-Cat«, sie ist 34, 1,67 Meter, blond, macht was mit Medien, liest Spiegel und Stern und fährt gerne nach Sri Lanka in den Urlaub. Und sie mag Hirschis Lieblingsfilme. Deshalb nennt sie sich auch »Amber Waves«.
Einer von Hirschis Lieblingsfilmen ist nämlich Boogie Nights . Mark Wahlberg spielt darin Hansi Hirschs heimliches Vorbild, den Pornostar der 70er-Jahre Dirk Diggler, der mit circa 25 Zentimetern »Talent« gesegnet ist und damit unter anderem »Rollergirl«, eine leicht unterbelichtete Blondine auf Rollschuhen, und eben »Amber Waves« beglückt. Der Film ist nicht nur eine Hommage an die goldene Ãra des Pornofilms, sondern hat auch zeitlose Dialoge hervorgebracht.
Dirk mit Kumpel »Chest Rockwell« beim Schuhekauf:
Dirk: »Das sind sie, die sind wirklich der Hammer!«
Chest: »Ja, die sind echt cool, sind die aus
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