Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
Das Café ist einer der Läden, in dem immer, also wirklich immer , egal ob es Nachmittag ist oder drei Uhr morgens, jemand mit einem Apple-Notebook am Tresen sitzt. Dazu muss man wissen: Der Hipster ist eigentlich eine Erfindung des Apple-Konzerns. Ein Werbecoup, der ungefähr so funktioniert: Man nehme eine Handvoll Jugendliche, kleide sie in American-Apparel-Läden neu ein, setze sie vor ein Apple-Notebook und einen Latte Macchiato an die Theke im Oberholz und bezahle sie fürs Internetsurfen. So entsteht nicht nur eine hippe Marke, sondern auch der Irrglaube, dass man mit Internetsurfen Geld verdienen kann. Oder so ähnlich. Die PR-Masche hat aber auch etwas Tröstendes. Wie jede Werbefigur werden Hipster irgendwann auch mal total »out« sein: so wie das HB-Männchen, der Marlboro-Cowboy oder Alice, das Telefonmodel, die es mit einem von Gaddafis Söhnen getrieben haben soll.
So, und wo ist jetzt meine Prinzessin aus der Zauberflöte?
Ich mogele mich an den blauen Neonstrahlern, der vanilleweiÃen Theke (beziehungsweise der Latte-Macchiatto-Ausgabestelle) und den Blicken der Hipster vorbei und steuere ein Mädchen mit lockigen blonden Haaren an, die dem Foto im Internet ähnlich sieht.
»Bist du Pamina?« Sie blickt auf.
»Bin icke wer??« â
»Ãh, ich meine, bist du mit jemandem aus dem Internet verabredet?« â
»Seh icke so aus?« â
»Nee, lass mal, danke.«
Gut, dann halt nicht. Nächster Versuch. Am Fenstertisch sitzt ein kleines, zierliches Mädchen und guckt mich verloren an. Sie trägt enge helle Jeans und ein Top. Die lockigen Haare hängen ihr ins Gesicht, sodass fast nur die Nasenspitze zu sehen ist. Ein bisschen sieht sie so aus wie Tingeltangel Bob, der Assistent von Krusty dem Clown aus den Simpsons , nur mit einem Wischmop auf dem Kopf.
Es ist Pamina. Oder Sabine. Ganz schön zierlich für eine Opernsängerin, denke ich. Vor ihr liegt eine angebrochene Schachtel West. Sie raucht ganz schön viel für eine Opernsängerin, denke ich. »Schön, dass du es noch geschafft hast«, sagt sie. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.« Sie schiebt ihre Haare etwas zur Seite, wie einen Vorhang. Ich sehe nun immerhin das halbe Gesicht. Ach ja: Und eine ganz schön piepsige Stimme für eine Opernsängerin hat sie, denke ich. Was ist denn hier los?
»Und, wie war die Aufführung?«, frage ich.
»Ja, lief ganz okay«, piepst sie zurück.
Sabine will erst mal über Partnersuche im Internet reden. Seit einer Woche sei sie erst unterwegs. Das glaube ich ihr natürlich nicht. Als Nächstes sagt sie mir noch, ich sei ihr erstes Date.
»Und du bist übrigens mein erstes Date«, sagt Sabine.
Sie werde ja vor allem von Lehrern angeschrieben. Das wiederum glaube ich ihr und nicke, um mein Mitleid auszudrücken.
Was ich mir so von unserem Date erwarte, fragt sie ganz offen. »Also, die meisten suchen ja Sex«, sage ich fröhlich in die West-Wolke hinein, die sie mir entgegenbläst. Wer eine ehrliche Frage stellt, soll eine ehrliche Antwort bekommen. Sie nimmt es stumm zur Kenntnis. Jetzt bin ich dran.
»Bist du wirklich Opernsängerin? Nicht wirklich, oder?«
Sie lächelt und schüttelt ihren Wischmopp. Sie sei Chemikerin in der Forschung. Und schreibe gerade an ihrer Habilitation. Ob das nun stimmt? Ich hatte mich so auf eine Anna Netrebko gefreut! Von der Opernbühne zur Reagenzglas-Schubse ist es schon ein weiter Weg, irgendwie. Sie ist durchaus süà und erzählt auch nett. Dass ihr letzter Freund zum Beispiel auch Chemiker am gleichen Institut war. Und dass es an ihrem Institut ja schon irgendwie jeder mit jedem getrieben habe. Ich kann mir den Kalauer nicht verkneifen, dass da wohl »die Chemie stimmte«.
Doch ich bin trotzdem enttäuscht. Die Luft ist raus, der Vorhang ist gefallen. Ich übertreibe ja auch maÃlos auf meinem Profil. Aber so maÃlos, dass man es merkt. Bei ihr verbarg sich hinter dem Vorhang aus Haaren offenbar noch eine ganze Menge mehr. Doch was genau da noch schlummert, muss sie jetzt leider jemand anderem erzählen. Vielleicht hat einer der Hipster ja bald »Dienstschluss«. Auf ein Um-die-Häuser-ziehen habe ich nicht wirklich Lust.
Zu Hause angekommen, klicke ich noch einmal ihr Profil an. Bei den 100 Fragen lese ich:
»Sind sie tendenziell ehrlich?«
»Immer.«
Alexandra hat auch noch
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