Mann Ohne Makel
lassen. Während er wartete, hatte er die Idee. Er würde ein Spielzeugauto kaufen und es mit Sprengstoff füllen. Er überlegte, ob er es ferngesteuert zünden sollte oder mit Hilfe eines Bewegungssensors. In einer Modellbauzeitschrift hatte er von einem Bewegungssensor gelesen. Die erste Methode setzte ihn der Gefahr aus, gesehen zu werden. Die zweite barg die Gefahr, den Falschen zu töten. Er würde darüber nachdenken und eine Entscheidung treffen. Immerhin wusste er nun, er würde im Haus oder im Garten zuschlagen. Dieser Schlag würde Holler den Rest geben.
Der alte Mann nahm eine zweite Porzellankanne und füllte den Rest des heißen Wassers aus dem Kessel hinein. Er wartete einen Moment, dann leerte er das heiße Wasser in den Ausguss. Er goss den Tee durch ein Sieb in die zweite Kanne. Er nahm sich eine Tasse, gab Tee hinein und nahm aus einer Dosis Kandiszucker. Er rührte um und trank einen Schluck. Er lehnte sich zurück. Der alte Mann war zufrieden, er hatte die Lösung gefunden. Noch nicht ganz, gewiss. Aber es würde gehen.
V
Der Mercedes 260 E stand in einer Tiefgarage in Rahlstedt, einem Stadtteil in Hamburgs Nordosten. Als Ossi ankam, waren die Leute von der Spurensicherung schon an der Arbeit. Später würden sie den Wagen zum Präsidium bringen, und die Kriminaltechniker würden ihn auseinander nehmen. Der Eigentümer, ein Kaufmann aus Poppenbüttel, war verreist, seine Frau wähnte den Wagen in der Garage des Büros in der Innenstadt. Das hatte Taut als Erstes herausgefunden. Das Auto war kurzgeschlossen worden. Der linke Scheinwerfer war gesplittert, der Kühlergrill eingebeult, auf dem Dach war eine großflächige Vertiefung zu erkennen, die Ulrikes Körper hinterlassen hatte. Der Wagen hatte sie hochgeschleudert, sie prallte aufs Dach und rutschte dann links nach hinten, als der Mercedes schleuderte. Beim Schleudern war der Wagen mit dem rechten hinteren Kotflügel an einen Pfeiler geschlagen. Davon zeugte eine tiefe Beule, der Lack war abgesplittert.
Es gab für Taut und Ossi nicht viel zu tun, die Kollegen der Spurensicherung taten ihre Pflicht und würden bald berichten. Ossi fürchtete, der Bericht würde kaum etwas hergeben. Irgendetwas sagte ihm, ein Profi habe Ulrike ermordet, weil sie dem Holler-Mörder auf die Spur gekommen sei.
Zurück in der Mordkommission, berichtete Ossi seinem Chef, was er in Ulrikes Wohnung gefunden hatte. Er zeigte ihm die Skizze und den Artikel aus dem Spiegel. Taut wiegte seinen Kopf und sagte lange nichts. Aufmerksam betrachtete er das Blatt mit der Skizze. »Stünde der Name Holler nicht hier, dann käme keiner auf die Idee, dass das irgendwas mit unserem Fall zu tun haben könnte.« Er drehte das Blatt. »Vielleicht spielt es keine Rolle, wie herum Holler geschrieben wird. Wenn der Name auf dem Kopf steht, ist die Zeichnung genauso sinnlos wie anders herum. Sieht aus wie ein Stammbaum. Aber es fehlen die anderen Namen. Ginge es um die Familie Holler, wären die Namen leicht einzusetzen. Über Maximilian Holler wäre dessen Vater, Herrmann, einzutragen, ein nicht weniger ehrenwerter Mann als der Sohn, saß sogar eine Zeitlang in der Bürgerschaft. Von ihm hat Maximilian das Unternehmen geerbt. Aber erst der Sohn hat ordentlich expandiert. Ich habe das inzwischen recherchiert. Maximilian Holler hat reihenweise Konkurrenten aufgekauft. Wir werden sie uns alle vornehmen müssen. Ich schätze, irgendeinen hat er über den Tisch gezogen. Oder einer meint, er sei beschissen worden. Das ist noch immer das beste Mordmotiv. Sehen wir mal ab von unserer rätselhaften Freundin, der Eifersucht.«
Das war typisch Taut, dachte Ossi. Sein lyrischer Zynismus. Er brach durch, wenn sie bei einer Ermittlung im Regen standen. Sie standen zurzeit nicht im Regen, sondern in einem Wolkenbruch. Statt Indizien fanden sie Rätsel, immer neue Rätsel.
Taut legte das Papier auf den Schreibtisch. »Betrachten wir es als Aufforderung von Ulrike, uns die Familie noch mal anzuschauen.«
Ossi hörte am Tonfall, wie wenig Hoffnung Taut in diese Ermittlungsrichtung legte. Er bewunderte Tauts Spürsinn, er irrte sich selten. Eher nie.
»Ich glaube, es gibt einen Zusammenhang zwischen dieser Skizze und Ulrikes Tod«, sagte Ossi. »Jedenfalls in der Hinsicht, dass Ulrike etwas wusste und dass der Täter wusste, dass sie es wusste. Ich habe den Mercedes aus dem Wesselyring herausschießen sehen. Er raste gezielt auf Ulrike zu. Der Fahrer wollte sie töten.«
Taut nickte. »Ja, das ist
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