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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Seiten auf. Es waren sieben Fotos. »Das ist meine Frau«, sagte er. »Sie ist vor gut zwei Jahren gestorben. Krebs. In unserem Alter ist das normal.« Seine Augen wurden nass. Die Fotos stammten aus verschiedenen Zeiten. Auf einem Bild stand sie vor dem Haus mit einer Handtasche. Das Bild mochte zwanzig Jahre alt sein, der Putz war weiß. Mittlerweile hatte er sich braun gefärbt und war löcherig geworden. Auf einem anderen Bild lehnte sie sich an die Kühlerhaube eines Borgward-Coupés, weiß und elegant. Sie war schön. Zwei andere Bilder zeigten sie in einem Park. Auf dem jüngsten Foto war sie zusammen mit ihrem Mann abgebildet. Sie saßen an einem Tisch, offenbar in einem Restaurant. »Das war an ihrem letzten Geburtstag«, sagte Grothe. »Ich muss Herrn Holler dankbar sein, dass ich ihm meine Firma verkaufen durfte. Das hat es meiner Frau und mir erlaubt, viele schöne Jahre ohne Geldsorgen gemeinsam zu erleben. Es gab einmal Zeiten, da war ich überzeugt, bald zu sterben.«
    »Im Krieg.«
    Grothe nickte. Er goss Ossi Kaffee nach. Ossi lehnte nicht ab, obwohl sein Magen unruhig wurde. Grothe kochte starken Kaffee. »Ich hatte es gelernt, jeden Tag zu genießen. Aber seit Martha tot ist …« Er wandte sein Gesicht ab. »Ich habe den alten Holler im Krieg kennen gelernt. Seitdem frage ich mich, wie ein Teufel einen anständigen Menschen zeugen kann.«
    »Ein Teufel? Das verstehe ich nicht«, sagte Ossi.
    »Der alte Holler war bei der Gestapo in Hamburg. Ich hatte nie mit ihm persönlich zu tun. Aber ich kenne Leute, die kennen wiederum Leute, denen er übel mitgespielt hat. Er war ein Mörder und Schläger.« Grothe war erregt.
    Ossi verstand nicht, warum Grothe so aufgewühlt war.
    »Damals waren viele Mörder und Schläger«, sagte er.
    Grothe blickte ihm lange ins Gesicht. Seine Haut hatte sich gerötet. Er nickte. »Wir alle waren schuld«, sagte er.
    »Wir alle. Es gab kaum einen, der nicht mitgemacht hat. An der Front, bei der Polizei, in der Partei oder in der Beamtenschaft. Ich habe auch mitgemacht.«
    Er stand auf, ging zu einem Beistelltisch und nahm eine silberne Zigarettendose. Sie war Ossi nicht aufgefallen. Grothe gab Ossi die Dose. »Schauen Sie, was darin steht.«
    Ossi öffnete die Dose. »B. R.« las er auf der Innenseite des Deckels in ziselierten Buchstaben. »B. R. das heißt Bernhard Rosenzweig. Er war mein Nachbar. Eines Tages, es war kurz vor dem Überfall auf Polen, gab es vor seinem Haus so eine Art Basar. Haushaltsgegenstände wurden angeboten, Schmuck, Geschirr, Besteck, Uhren, ein Radio, so ein ähnliches wie dieses hier.« Er zeigte auf sein Radio. »Und ich habe dort diese Dose gekauft, für sechs Reichsmark, ein Spottpreis, echt Silber.«
    »Und was ist aus Rosenzweig geworden?«
    »Ich weiß es nicht, plötzlich war er verschwunden. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Vielleicht ist er entkommen, vielleicht haben sie ihn vergast. Aber ich habe seine Zigarettendose gekauft, für sechs Mark. Sie war das Hundertfache wert.«
    »Wenn Sie die Dose nicht gekauft hätten, hätte sie ein anderer gekauft«, sagte Ossi.
    »Ja, der wäre damit glücklicher geworden als ich. Mich erinnert sie immer an Bernhard Rosenzweig. Er war ein einfacher Kaufmann, hatte ein Bekleidungsgeschäft in der Fuhlentwiete. Er hatte viel Stammkundschaft, meine Frau und ich gehörten dazu. Das Geschäft ging gut, er überstand alle Anfeindungen. Bis zum November 1938, bis zur Reichskristallnacht. Da haben sie sein Geschäft ausgebrannt. Und was er retten konnte, musste Rosenzweig abtreten an den Staat. Sein Eigentum wurde dem Staat überschrieben. Und der Staat hat alles verschleudert.«
    Ossis Hände schwitzten. Er drehte die Dose und stellte sie auf den Tisch.
    »Wissen Sie was, nehmen Sie die Dose mit. Martha hat immer gesagt, ich soll sie wegschmeißen. Und einmal war ich kurz davor. Aber dann habe ich mich gefragt, was Rosenzweig dazu sagen würde, wenn ich seine Dose auf den Müll werfen würde. Und sie einfach verkaufen an einen Fremden?«
    »Das kann ich nicht annehmen«, sagte Ossi. »Außerdem ist es verboten.«
    »Weshalb sollte ich Sie bestechen?«
    »Klar, aber Vorschrift ist Vorschrift.« Ossi zog seine Liste aus der Tasche und legte sie vor Grothe auf den Tisch. »Kennen Sie einen von denen?«
    Grothe setzte eine Brille auf, seine Hände zitterten leicht. »Die kenne ich alle. Das sind ehemalige Kollegen. Ein paar von denen haben auch an Holler verkauft.«
    »Alle«, sagte Ossi. »Sagt jedenfalls

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