Mannerfreie Zone
genau Buch darüber führst, wen ich küsse und wen nicht. Ich schätze mal, da gibt es keine bestimmte Regel. Das ist wie Händeschütteln oder so. Keine Regeln. Ich meine, das kommt einfach auf den anderen drauf an.“
„Okay. Lass uns nach Kothaufen suchen.“ Roseannes neue Beschäftigung nach David Letterman ist, nach Nagetieren Ausschau zu halten. Sie zwingt mich dazu, auf allen Vieren durch die Küche zu rutschen und nach seltsamen Partikeln zu suchen, die möglicherweise Rattenkot sein könnten. Ich kann nichts finden, aber sie besteht darauf, dass es sich bei einem kleinen Stück Dreck um Kot handelt. Gott sei Dank ist es nach halb zwölf und ich kann sie dazu überreden, Fernsehen zu schauen. Seufzend setzt sie sich auf die Couch. Sie ist nicht wirklich bereit, ihre Rattenneurose aufzugeben, aber Letterman beruhigt sie. Ich flüchte kurz vor der ersten Werbepause. Bevor ich einschlafe, höre ich noch, wie sie zwei Mal in die Küche stampft und das Licht einschaltet. Ich lasse mich nicht aufhetzen und in diesen Krieg mit hineinziehen.
Gegen halb vier klingelt das Telefon. Verschlafen und völlig desorientiert nehme ich den Hörer ab. Es ist eine betrunkene Tabitha. „Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden.“
„Mensch Tabitha, was ist los? Es ist spät.“ Mein Herz schlägt so heftig. Ich glaube ich habe geträumt, dass Adrian ein Samurai wäre.
„Ich war mit Johann aus. Ich musste jede Menge fettiges deutsches Essen zu mir nehmen, aber wenigstens gab es guten Wein. Er weiß gerade von keinem freien Job, will sich aber Roseannes Unterlagen ansehen.“
„Großartig, Tabitha. Danke dir.“ Ich könnte beim Telefonieren wieder einschlafen. Ich werde ihr jetzt nichts von Roseannes Job erzählen. Ich hebe mir ihren Anschiss für morgen auf. „Ich werde jetzt weiterschlafen.“
„Also, er hat definitiv ein paar Haare verloren, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber er trägt noch immer Leoparden-Unterwäsche.“ Natürlich.
„Na dann war es wenigstens nicht völlig umsonst, du kannst eine Kerbe in dein November-Bettgeschichten-Holz ritzen.“
„Mein Herz gehört nur Jaques.“ Ich will jetzt wirklich nur noch zurück ins Bett. Ich kann nicht noch so eine Jammer-Arie über den Franzosen ertragen. „Außerdem weiß ich gar nicht, ob Johann überhaupt zählt, weil wir ja schon letzten März zusammen waren. Genauso wie mit Romolo. Kann denn der gleiche Typ für zwei Monate gelten? Und kann ich in einen Typen verliebt sein, wenn ich mehr als einen pro Monat habe?“
„Tabitha, über die Regeln können wir uns morgen unterhalten.“
„Ja, okay, gute Nacht.“
Wie immer scheinen die Tage zugleich vorbeizufliegen und sich endlos hinzuziehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich alle Zeit der Welt habe. Dann wieder scheinen meine Abende total ausgefüllt. Roseanne hat mich zu ein paar Step-Stunden mitgeschleift, und ich versuche jeden Abend eine Viertelstunde auf dem Laufband zu trainieren. Ich bin ein echtes Baby, was das Trainieren angeht. Ich hasse es. Roseanne erzählt mir immer von den gestählten New Yorker Körpern, die sie sieht, und sie hat auch sicher irgendwie Recht, aber ich finde es einfach nicht prickelnd, in ein nach Schweiß riechendes Fitness-Studio zu gehen. Tabitha lacht mich morgens immer aus, wenn ich ihr erzähle, was für einen Muskelkater ich habe. Sie sagt, sie würde lieber in ein Wellness-Center gehen, wenn sie sich für so was überhaupt interessieren würde.
„Nicht jeder hat so eine Erbschaft gemacht wie du, Tabitha.“ Wie immer ignoriert sie es, wenn ich sie auf Geld anspreche.
Am Freitag beschließe ich, den ganzen Fitness-Kram zu lassen und stattdessen mit Adam und Joe aus der Marketing-Abteilung was trinken zu gehen. Ich versuche sowohl Tabitha als auch Roseanne dazu zu überreden mitzukommen. Keine von ihnen hat Lust.
„Deinetwegen gehe ich wieder mit Johann aus. Er will mir ein lächerlich teures In-Lokal zeigen, das bisher in unserem illustren Magazin noch nicht erwähnt worden ist. Ich will da hin, bevor es jeder kennt.“
„Klar.“
„Ich bin sowieso davon ausgegangen, dass du heute Abend Racketball oder so was spielst.“
„Touché. Ich kann nicht ins Fitness-Studio. Ich habe am Wochenende endgültig einen Schlussstrich gezogen.“
„Okay, schön ruf mich morgen an.“ Ich seufze. „Also gut, wenn’s sein muss, sprich mir auf meine Mailbox, falls ihr irgendwo hingeht, wo’s nett ist.“
Roseanne sagt ebenfalls ab. Sie fühlt sich
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