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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Atemholen.
    Er nahm die Mütze vom Kopf. Das Gefühl, glücklich zu sein, stieg in ihm auf.
    In diesem Augenblick seltener Zufriedenheit stieg das Pferd plötzlich neben ihm auf. Es schrie gellend auf … dann erst hörte Schütze den Schuß. Er hallte in den Weinhügeln wider wie ein lauter Peitschenschlag. Gleich darauf schlugen einige Kugeln in die Lehne der Bank. Das splitternde Holz peitschte Schütze ins Gesicht.
    Mit einem weiten Satz sprang er in die Weinstöcke hinein. Das Pferd hatte sich losgerissen. Steil stellte es sich hoch, schlug mit den Vorderhufen um sich, flockender Schaum spritzte von den Nüstern … dann fiel ein neuer Schuß. Es sank zusammen, fiel seitlich auf die Bank. Mit einem hellen Krachen zerbrach das Holz. Der stürzende, dampfende Körper bohrte sich in die splitternden Trümmer.
    Major Schütze hatte seine Pistole aus dem Futteral gerissen. Er lag ganz flach auf dem Boden. Von der Stirn lief ein dünner Blutfaden zwischen der Nasenwurzel zu seiner Oberlippe. Ein Holzsplitter mußte die Stirn aufgeritzt haben.
    Noch sah er nichts. Noch wußte er nicht einmal, woher die Schüsse gekommen waren. Man muß sie im Dorf gehört haben, dachte er nur. Sie haben nicht mehr viel Zeit, mich zu suchen. In wenigen Minuten ist hoffentlich das Bataillon alarmiert.
    Um die Aufmerksamkeit zu erhöhen, schoß Heinrich Emanuel mehrmals hinter sich. So hörte man im Tal die Schüsse, aber der Gegner sah kein Mündungsfeuer.
    Vor sich, zwischen Weinstöcken und einigen alten Gerätehütten, sah er einige Schatten laufen. Sie huschten dicht über dem Boden den Hügel hinauf. Schemenhaft, wie Wolkenschatten.
    Schütze zögerte. Die Grenze zwischen Vorsicht und Pflicht stand wieder vor ihm. Er übersprang sie mit zusammengebissenen Lippen … robbte aus dem Schutz der Weinreben bis zu seinem toten Pferd und eröffnete das Feuer auf die hüpfenden Schatten.
    Den dampfenden Körper des Pferdes benutzte er als Auflage. Mit zusammengekniffenen Augen zielte er. Zweimal … dreimal schoß er auf den hin und her rennenden Schatten vor sich. Plötzlich sah er ihn fallen. Dann erhob sich aus dem Gewirr der Rebstützen eine hohe Gestalt und streckte die Arme empor.
    Heinrich Emanuel zögerte. Es konnte eine Falle sein. Während er sich auch erhob und aus dem schützenden Pferdekörper auftauchte, würde man hinter den Geräteschuppen auf ihn schießen können.
    Er blieb liegen und rief der dunklen Gestalt zu.
    »Allez!« Er kniete hinter dem warmen Leib des Gaules und hob die Pistole. »Komm hierher! Vite! Vite!«
    Die Gestalt verstand ihn. Langsam kam sie näher. Major Schütze sah, daß es ein junger Mann war. Braunlockig. Groß und hager. Er hinkte etwas. Ein Schuß aus Schützes Pistole hatte ihn in den Oberschenkel getroffen. Vor dem Pferdekadaver blieb der Junge stehen und stützte sich auf einen in die Erde gerammten Pfahl. Er stöhnte leise und beugte sich nach vorn, legte die rechte Hand auf den Einschuß und preßte sie gegen den Schenkel, als könne er die Schmerzen herauspressen.
    »Parlez-vous allemand?« fragte Schütze. Der Junge nickte.
    »Oui!« Er sah auf den bloßhäuptigen Offizier und hob wieder die Hände. »Ich bin Soldat … Ich bin Ihr Gefangener, Herr Major –«
    Heinrich Emanuel erhob sich. Er war verblüfft. Das gute Deutsch, die Sicherheit, so zu jemandem zu sprechen, den man vor wenigen Minuten noch aus dem Hinterhalt ermorden wollte, die Selbstverständlichkeit, zu sagen: Ich bin Soldat, was soviel bedeutete wie: Ich stehe unter dem Kriegsrecht … der sich Ergebende ist menschlich zu behandeln – das alles rührte Schütze merkwürdig an.
    Er beugte sich zu dem Franzosen vor, tastete seine Taschen ab. Er war waffenlos. Dann sah er ihn wieder an. Der Mond übergoß sein Gesicht mit Licht.
    Maßloses Entsetzen griff Schütze ans Herz. Es durchrann ihn kalt, bevor eine Glutwelle in sein Gehirn stieg und die Nerven zu verglühen schien.
    Er sieht ja aus wie Giselher-Wolfram, dachte Heinrich Emanuel. Derselbe Kopf, fast die gleichen Augen … die Nase, der Mund und das Kinn …
    Er atmete tief. Es war wie ein Stöhnen. »Wie heißen Sie?« fragte er, mühsam seiner Stimme einen forschen, befehlenden Klang gebend.
    »Pierre –«
    »Und weiter?«
    »– Bollet –«
    »Wo – wo sind Sie geboren?«
    »In Epernay.«
    Major Schütze atmete auf. Der Druck wich. Der wahnsinnige Gedanke, der ihn plötzlich überfallen hatte, mußte ja ein Irrtum sein. Es war undenkbar. Völlig undenkbar.
    »Sind

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