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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hieß es in Latrinenparolen. »Na, sie sollen kommen. Die kriegen keinen Stiefel aufs Land.«
    Major Schütze ließ den reibungslosen Durchgangsverkehr durch Frujère regeln. Aber auch dies wurde auf die Dauer stupide. Wer noch nie gegähnt hat … in Frujère konnte er es lernen.
    Ende Juli bekam Major Schütze unverhofften Besuch. Ein Sanitätswagen hielt vor der Stadtkommandantur und Dr. Langwehr kletterte heraus.
    »Wie klein ist die Welt!« rief Schütze. »Sie in Frujère! Und Oberfeldarzt sind Sie geworden? Gratuliere!«
    Dr. Langwehr schnallte Koppel und Pistole ab und warf die Mütze auf ein Sofa in der Ecke. »Haben Sie einen Kognak?« fragte er. »Der Staub draußen dörrt einen aus. Übrigens – ich komme nicht unverhofft. Ich wußte, daß Sie hier sind. Ich komme genau Ihretwegen –«
    »Meinetwegen?« Schütze goß zwei Gläser goldgelben Kognak ein. »Woher können Sie wissen –?«
    »Man hat seine Verbindungen, lieber Schütze. Ihre Adresse weiß ich von Ihrem Onkel, dem General a.D. v. Perritz –«
    »Der Onkel General?«
    »Und der hat sie wohl von Ihrer Gattin. Prost!« Dr. Langwehr trank das Glas in einem Zug aus. »Daß ich gekommen bin, hat einen bestimmten und großen Grund.« Er sah Schütze ernst an. Alles Joviale war plötzlich von ihm gefallen. Er war nüchtern, fast kalt. »Kann ich mit Ihrer völligen Verschwiegenheit rechnen?«
    »Aber … aber natürlich, Herr Dr. Langwehr –«
    »Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen. Nur ein kleiner auserwählter Kreis von Offizieren weiß das, was ich Ihnen heute sage. Generaloberst Halder ist unter ihnen, Feldmarschall v. Witzleben. Generaloberst Höppner … Ihr Onkel General v. Perritz –«
    »Bitte, sprechen Sie.« Schütze hielt den Atem an.
    »Ich bitte um Ihr Offiziersehrenwort, daß Sie schweigen, auch wenn Ihnen unser Vorschlag mißfallen sollte –«
    »Sie haben es.«
    Sie drückten sich die Hand. Eine Spannung lag zwischen ihnen, die fast hörbar im Raum knisterte.

16
    Dr. Langwehr erhob sich und ging unruhig im Raum hin und her. Man sah, daß er nach Worten suchte, die eine sehr gefährliche Situation nüchtern und so neutral wie möglich erklärten.
    »Wir leben in einer Zeit der Siege«, sagte er endlich. »Wir haben ganz Europa besetzt, aus dem Radio dröhnt jeden Tag eine Sondermeldung, aus Hitler ist ein Kriegsgenie geworden.«
    »Es läßt sich nicht leugnen«, antwortete Schütze.
    Dr. Langwehr blieb stehen und sah auf Heinrich Emanuel herab. »Glauben Sie, daß es so bleibt?«
    »Darüber muß nicht ich mir, sondern der Führer den Kopf zerbrechen.«
    »Falsch. Rückschläge kosten unser Blut.«
    »Als es um Siege ging, haben Sie nicht so gesprochen.«
    »Wissen Sie das? Wir haben den Krieg bereits verloren gehabt, als wir ihn anfingen.«
    Schütze goß sich einen neuen Kognak ein. Er haßte das leicht seifig schmeckende Getränk. Aber jetzt beruhigte es ihn merkwürdig.
    »Was soll das alles, Herr Oberfeldarzt? Wollen Sie ins Führerhauptquartier gehen und sagen: Ihr macht alles falsch? Wollen Sie und die Herren, die Sie eben nannten, es besser machen?«
    »Es sind im deutschen Offizierskorps seit langem Bestrebungen im Gange, zwei Dinge zu ändern: Die immer stärkere Machtentfaltung der Partei, vor allem der SS, einzudämmen und vor allem den Dilettantismus Hitlers abzuwürgen. Der Sieg über Frankreich war das Schlimmste, was uns geschehen konnte. Hitlers Selbstverherrlichung wächst ins Unermeßliche. Was gegenwärtig an der Ostfront geschieht – wider besseres Wissen der Generale, die einfach niedergebrüllt oder entlassen werden – ist der Beginn einer Rückentwicklung, die zur Katastrophe werden kann.«
    Schütze hob die Schultern. »Mir steht kein Urteil zu. Ich bin ein kleiner Major. Ich bin Stadtkommandant von Frujère, habe dafür zu sorgen, daß die Wasserleitungen intakt sind, die Straßenkreuzungen frei und für durchziehende Truppen Quartier vorhanden ist. Ich habe mir oft genug den Mund durch eigene Meinungen verbrannt … Ich will den Krieg überleben, weiter nichts.«
    »Sie werden es nicht, wenn es so weitergeht.«
    »Wie wollen Sie es ändern?«
    »Durch eine Absetzung Hitlers – wenn's sein muß, durch seinen Tod – und Übernahme einer provisorischen Regierung durch die Generalität, bis freie Wahlen stattfinden können.«
    Schütze stellte sein Kognakglas hart auf den Tisch zurück. Entgeistert starrte er Dr. Langwehr an.
    »Haben Sie Fieber, Doktor?« fragte er leise. »Hitler absetzen?

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