Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Brust.
    *
    Die Besprechung in Paris blieb nicht ohne Folgen. Vier Wochen später wurde Heinrich Emanuel Schütze zum Oberstleutnant befördert. Er wurde aus Frujère weggenommen und kam nach Paris. In den Besatzungsstab.
    »Damit Sie näher am ›Drücker‹ sind«, lachte Dr. Langwehr. »Gratuliere zu der Beförderung.«
    Heinrich Emanuel freute sich nicht. Zum erstenmal empfand er eine Beförderung nicht als Auszeichnung. Auch die Erreichung seines großen Zieles, Mitglied eines Generalstabes zu sein, erzeugte nicht das Hochgefühl, das er sich immer vorgestellt hatte. Schon als Einjährig-Freiwilliger hatte er davon geträumt. Rote Streifen an den Hosen – die Böszungigen nannten sie ›Himbeerhosen‹ – teilnehmend am großen Atem der Geschichte, Gedanken realisierend, in der Hand das Schicksal Tausender … das alles war jetzt zusammengeschrumpft zu einem Schreibtisch und einem mit Brokat bezogenen Stuhl, auf dem er, der neue Oberstleutnant i.G. saß, auf eine leere Tischplatte starrte und darauf wartete, daß etwas geschah, vor dem er mehr Angst empfand als vor einem Trommelfeuer sowjetischer Stalinorgeln.
    Schützes Aufgabe war die Koordinierung zwischen Nachschub und tatsächlichem Verbrauch. Er beschäftigte zehn Schreiber, die die wöchentlichen Anforderungen der Truppen addierten und abhefteten. Wen die Zahlen interessierten – außer den Stabsintendanten – wußte niemand. Aber man arbeitete fleißig in dem Bewußtsein und der Beruhigung, daß man, solange man hier saß und so tat, als tue man etwas, nicht nach Rußland abgestellt wurde. Man machte sich unentbehrlich.
    Ab und zu fuhr Oberstleutnant Schütze herum und regelte die Organisation des Wehrmachtsfuhrparkes. Er traf dabei auf Gesinnungsgenossen und gab geheime Meldungen weiter, Informationen, Schriftwechsel.
    Es war schon Nacht, als er von einem Besuch der Fahrbereitschaft VI zurück nach Paris fuhr. Ein junger Leutnant steuerte den Volkswagen. Er war in Rußland schwer verwundet worden und sollte sich in Frankreich erholen.
    Über der Parklandschaft des Seinetales lag ein leichter Nebel. Die Bäume schwammen in ihm wie ausgerissene Riesenwurzeln. Es war kühl. Der Herbst kündigte sich an. Über ihnen, in dem Gewoge von Nebel und Nachtwolken quoll ein gedämpftes Brummen auf, das näher kam und sich durch die Nacht tastete.
    Schütze legte die Hand auf den Arm des jungen Leutnants. »Hören Sie –«
    Der Leutnant stellte den Motor ab. Sie standen am Straßenrand. Neben ihnen fiel das Gelände zur Seine ab … auf der anderen Straßenseite begannen die Weiden. Der Nebel kroch über das Gras, in langgezogenen, tanzenden Schwaden, Schleiern gleich, die sich im leichten Wind bewegten. Das Brummen war über ihnen, deutlich, tief. Es entfernte sich nur wenig, kam zurück, wurde leiser …
    »Ein Flugzeug.« Der junge Leutnant kletterte aus dem Wagen. Auch Oberstleutnant Schütze stieg aus und schlug den Mantelkragen hoch. Er starrte in den Nachthimmel. Das Brummen war wieder über ihnen. »Er kreist …«
    »Jetzt? In der Nacht?« Der Leutnant lehnte sich an den Kühler. »Merkwürdige Passion …«
    Plötzlich hörte das Brummen auf. Ein paar Sekunden war vollkommene Stille um sie. Dann durchbrach das Motorengeräusch wieder den Nebel, weiter als bisher, sich schnell entfernend.
    »Eine Übung.« Schütze winkte. Der Leutnant stieg in den Wagen zurück. »Ganz recht so von den Fliegern. Ich habe überhaupt das ungute Gefühl, daß wir hier in Frankreich einrosten. Fahren wir –«
    Es war ein Zufall, daß Schütze noch einmal hinüber zu den im Nebelschleier tanzenden Wiesen sah. Durch eine Nebelbank stießen plötzlich zwei Körper. Sie pendelten an weit aufgeblähten Fallschirmen. Als sie die Erde sahen, bewegten sie die Beine, zogen sie an, die Arme griffen nach oben an die Seile des Schirmes.
    Heinrich Emanuel sah schnell in den Wagen. Der junge Leutnant wollte starten, aber die Zündung rasselte nur. Der Wagen sprang nicht an.
    »Kerzen vielleicht verrußt. Schweinerei«, sagte Schütze. »Versuchen Sie's noch mal.«
    Er stellte sich breit vor die Scheibe und verdeckte mit seinem Körper die Sicht zu den Weiden.
    Die beiden Körper schwebten dicht über der Erde. Jetzt schlugen sie auf, überkugelten sich, sprangen auf, liefen auf den Schirm zu und warfen sich auf die Seide, damit sie zusammenfiel und nicht vom leichten Wind weggetrieben wurde.
    Als der Wagen ansprang, waren es nur zwei dunkle Flecke auf der Wiese. Der Leutnant steckte

Weitere Kostenlose Bücher