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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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umklammerte mit beiden Händen den eisernen Rand seiner Trage.
    Nicht mehr kv, dachte er plötzlich erschrocken. Eiskalt griff es ihn ans Herz. Mein Gott, was soll ich tun, wenn der Krieg zu Ende ist? Ich bin doch nichts anderes als Offizier … ich habe doch nichts anderes gelernt.
    Ein halbes Jahr hatte Heinrich Emanuel Zeit, den Krieg aus der Sicherheit eines Lehnsessels zu betrachten. Es zeigte sich, daß die beiden fehlenden Zehen keinerlei große Behinderung mit sich brachten. Selbst besonders gefertigte Schuhe waren nicht notwendig. Nur der linke Stiefel war etwas groß geworden. Schütze glich es aus, indem er ein weiches Wollknäuel vorne in die Stiefelspitze stopfte. Die ersten Schritte in Stiefel und Uniform tat er heimlich vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer. Eine Woche übte er. Dann überraschte er Amelia am Morgen. Er kam in voller Uniform, stramm, ohne Hinken oder Schwanken, in das Eßzimmer, grüßte und sagte:
    »Melde mich der Familie als gesund zurück!«
    Er war so glücklich, daß Amelia ihm diese Freude nicht störte. Sie küßte ihn, und erst nach dem Frühstück sagte sie:
    »Das darfst du aber nicht öffentlich zeigen …«
    »Was?«
    »Daß du unbehindert gehen kannst. Wenn du zur Untersuchung bestellt wirst, mußt du hinken und einen Stock als Stütze nehmen.«
    »Amelia –«, sagte Heinrich Emanuel tadelnd.
    »Wenn sie sehen, daß du laufen kannst, schicken sie dich wieder hinaus nach Rußland. Du mußt solange den Kranken spielen, wie es geht … und wenn es bis zum Kriegsende sein muß.«
    »Das wäre Betrug, Amelia. Ich kann in der Uniform doch kein Theater vorspielen.«
    »Dann melde dich zu den Nachuntersuchungen in Zivil.« Die Stimme Amelias wurde erregt. »Jetzt hast du die Chance, zu überleben. Willst du dein Leben aufs Spiel setzen? Wofür? Soll ich dich auch noch verlieren?«
    Der Name Christians stand unausgesprochen zwischen ihnen. Schütze senkte den Kopf, knöpfte den Uniformrock auf, zog ihn aus und hängte ihn über die Stuhllehne. Dann ging er durch das Zimmer, humpelnd, nach vorn gebeugt … ein paar Schritte nur. Mit einem Ruck straffte er sich wieder.
    »Das kannst du von mir nicht verlangen. Ich verlöre die Achtung vor mir selbst.«
    »Besser die Achtung verlieren, als das Leben.«
    Der Morgenfrieden war gestört. Amelia räumte ab; nach wenigen Minuten hörte Schütze das Klappern des Geschirrs in der Küche. Sie spülte. Zweimal klirrte es.
    Wie nervös sie ist, dachte Schütze. Aber sie hat recht. Sie hat ein Recht, alles auf den Boden zu werfen.
    Zwei Dinge waren es, die in diesem halben Jahr der Ruhe einschneidend in das Leben der Familie Schütze eingriffen.
    Zuerst war es jener Tag, an dem Amelia gegen Mittag aus der Stadt zurückkam. Als sie Heinrich Emanuel sah, wurde sie rot wie ein junges, soeben geküßtes Mädchen, packte ihre Einkaufstasche auf den Tisch, zog sich umständlich um und legte etwas braunen Puder auf die blasse Gesichtshaut. Schütze hatte unterdessen die Tasche ausgepackt und sah mit tiefer Verwunderung einen Katalog aus Berlin durch, den er in Amelias Tasche gefunden hatte.
    »Was soll denn das?« fragte er, als Amelia aus dem Schlafzimmer kam. Amelia wurde noch röter und nagte an der Unterlippe.
    »Was?« fragte sie hinhaltend.
    »Der Katalog.«
    »Na ja … es ist eben ein Katalog. Man interessiert sich dafür …«
    »Du?«
    »Ja.«
    »Ich finde, davon sind wir zwanzig Jahre lang entfernt. Was willst du mit Babysachen? Und angestrichen hast du auch was. Windeln, 2 Dutzend … sechs Strampelhöschen … Saugunterlage … Was soll das?«
    Amelia lehnte sich gegen die Wand. In ihren Augen tanzten tausend kleine Flämmchen. Sie drückte die Hände gegen ihre Brust und sah Heinrich Emanuel mit einem unendlich glücklichen Lächeln an.
    »Ich war heute bei Dr. Ferner. Bis jetzt … Seit drei Monaten weiß ich es –«
    »Was?« Major Schütze ließ den Katalog auf den Tisch fallen, zwischen Butterschmalz und 150 Gramm Dauerwurst. Er begriff es nicht. Er konnte es einfach nicht begreifen. Wenn das jüngste Kind siebzehn Jahre alt ist, ist so etwas schwer zu verstehen. »Du … du … willst doch damit nicht sagen … Amelia …«
    Sie nickte stumm. Schütze wischte sich linkisch über die Stirn.
    »Wir –?« stotterte er.
    »Ja –«
    »Jetzt noch –«
    Amelia lachte. »Ich bin doch keine alte Frau –«
    »Aber … aber … Sicher?«
    »Ganz sicher. Im Oktober wird es kommen –«
    »A-Amelia –« Er schwankte auf sie zu, in ihren

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