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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verdammte Krieg.« Anton Schwarz drehte aus Kippentabak zwei Zigaretten. Er beleckte sie und reichte eine an Schütze weiter. »Mein Ewald ist in Gefangenschaft. Drüben in Amerika. Dem geht's gut. Und Ihr Christian …«
    »Gefallen …«
    »Dieser Mistkrieg!« Schwarz sah Heinrich Emanuel durch den Rauch seiner Zigarette an. »Wenn es Ihnen nicht zu klein ist … wir haben oben, unterm Dach, Ewalds Zimmer frei. Dort können Sie bleiben, bis Sie 'was gefunden haben. Wer weiß, wann Ewald wiederkommt.«
    »Ich … ich habe nur noch hundert Mark …«, sagte Schütze leise. »Und dann –?«
    »Darüber reden wir morgen.« Schwarz goß Schütze eine Tasse Kaffee ein. »Man kann einen Krieg, den man sechs Jahre lang verloren hat, nicht in fünf Minuten beiseite schieben. Wir werden über alles morgen reden … Und nun trinken Sie mal den Kaffee. Sie sind ja ganz durchgefroren –«

18
    In dieser Nacht schlief Heinrich Emanuel seit langer Zeit wieder ruhig und traumlos.
    Die zusammengebrochene Welt war doch nicht ganz zertrümmert worden. Es gab noch Menschen. Es gab noch Inseln des Mitleids und der Hilfe. Und es gab wieder ein wenig Hoffnung in all der Trostlosigkeit.
    Am nächsten Morgen saßen sie alle um den Kaffeetisch. Es gab frische Brötchen. Und Honig. Es war wie im Schlaraffenland.
    »Organisation ist alles«, lachte Werkmeister Schwarz. »Was glauben Sie, was man mit unseren Spinnereierzeugnissen alles machen kann. Das ist die reinste Zauberei: Aus zehn Spulen Garn ein halbes Schwein … Das bringt kein Zirkus.«
    »Geht das nicht gegen Ihre kommunistische Weltauffassung?« fragte Schütze vorsichtig. Anton Schwarz wischte sich den Mund mit der Serviette.
    »Ach ja … Sie kennen mich ja als den Kommunistenhäuptling von Detmold. Mittlerweile ist viel Wasser durch die Lippe geflossen. Als die Nazis an die Macht kamen, bin ich ab. Nach Moskau. Ich Rindvieh! Was ich da gesehen habe, genügte mir. Es ist doch alles nur 'n Geschäft … ob die Partei oder eine andere. Reden können se alle gut, aber denken tun se nur ans Geld. Und wenn se Idealisten spielen sollen, werden se sauer. Na ja – da habe ich mich gemeldet. Zum Spionageeinsatz in die Schweiz. Von dort bin ich rüber in die Heimat. Und bin zum Gauleiter der Braunen. ›Hier bin ich‹, habe ich gesagt. ›Ich war in Moskau und hab die Fresse voll. Nun sperrt mich ein!‹ Das haben se nicht getan. Merkwürdig, was? 1938 war ich dann plötzlich in der Partei … Unser Betrieb wollte das goldene Schild als NS-Musterbetrieb haben. Hat's auch bekommen. Und ich 'n Parteibuch. Dann kam Ewald zum Militär, der Krieg brach aus, der Mist war komplett. Tja … und nun sind Se hier, Herr Oberstleutnant …«
    »Ja, nun bin ich hier.« Schütze starrte in seine Kaffeetasse. Wie soll es weitergehen, dachte er, und es wurde eiskalt in ihm vor Zukunftsangst. Wo mag Amelia sein? Und was ist aus den Kindern geworden? Ob sie noch leben?
    Er stützte den Kopf in beide Hände und schloß die Augen. Frau Schwarz blinzelte ihrem Mann zu, nahm die noch halbvolle Kaffeekanne und ging schnell aus dem Zimmer. Anton Schwarz legte Schütze seine breite Arbeiterhand auf die Schulter.
    »Zunächst bleiben Sie hier. Dann suchen wir Ihre Frau. Übers Rote Kreuz. Das wird von Tag zu Tag besser. Ich war neulich in Bielefeld … da haben se die Straßen schon freigeräumt und die erste Straßenbahn fährt auch schon. Um uns Deutsche ganz auf die Schnauze zu legen … Junge, da gehört schon was zu.«
    Schütze lächelte schwach. »Sie reden ja direkt national, Schwarz.«
    »Wer so auf dem Rücken liegt wie wir, der muß die Sonne anschreien, weil sie das einzige ist, was uns geblieben ist. National, nee. Aber 'n Deutscher bin ich. Das weiß ich, seit ich in Moskau war. Man sollte die Brüder, die jetzt wieder die Fresse aufreißen, alle einmal nach Moskau schicken. Die kommen zurück und singen de Wacht am Rhein. Nee nee, Herr Oberstleutnant … man hat jedacht, den Deutschen hauen wir jetzt ihr verdammtes Deutschtum aus dem Anzug … wat se erreicht haben ist nur, daß der Staub weg ist …«
    »Staub mit einigen Millionen Toten, Schwarz?«
    »Sie haben recht.« Schwarz zerdrückte ein Brötchen zwischen den Fingern. »Ihr Junge ist auch dabei. Und der vom Nüssling auch. Es ist verdammt hart, einen Jungen zu verlieren. Wenn ich an meinen Ewald denke … irgendwo in Rußland oder am Balkan, oder in Norwegen oder in Afrika … Und wofür?«
    »Ja, wofür?« Heinrich Emanuel Schütze

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