Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
haben Frauen nichts zu suchen!«
    Es zeigte sich, daß Hauptmann a.D. Schütze die Lage klar erkannt hatte. Obwohl in Zivil, wurde er hinter Schweidnitz kritisch begutachtet. Seine straffe Körperhaltung fiel auf. Außerdem war er besser ernährt als die anderen. Vier Kilometer vor Gut Perritzau wurde es kritisch. Es wimmelte von entlassenen und herumlungernden Landarbeitern, die alles, was sich dem Gut näherte, genau untersuchten. Es ging im ganzen Umkreis das Gerücht herum, daß auf Perritzau ein Offiziersdetachement liege, eine Freikorpsgruppe, die sich in den Wäldern sammele, um das ständige Einsickern von Polen in Oberschlesien zu verhindern.
    Heinrich Emanuel zögerte erst, als er das erfuhr. Er hatte keine Lust mehr, aktiv ins Kriegsgeschehen einzugreifen. »Im Augenblick ist doch nichts mehr zu retten«, hatte er zu seinem Vater und Großvater Sulzmann gesagt. »Die Zeit, unsere Zeit, muß reifen. Erst wenn jeder erkennt, daß Deutschlands Zusammenbruch das Werk einer verantwortungslosen Clique war, dann –« Er konnte über dieses Thema stundenlang sprechen. Er war ein blendender Theoretiker geworden. Die Versammlung der Praxis auf Gut Perritzau dagegen erfüllte ihn mit Vorsicht, ja Widerwillen.
    Schließlich siegte die Weihnachtsgans. Er brach mit einem Pferdewagen im gestreckten Galopp zum Gut durch und ließ sich erschöpft an die freiherrliche Brust drücken.
    Von einem Freikorps war nichts zu sehen. Der Baron lebte wie auf einer Insel. Zwanzig treue Knechte hielten das Gut wie eine Festung. Auch Schwiegervater Perritz stellte die alte Frage, die Heinrich Emanuel immer ansprang, wo immer er auch hinkam:
    »Was willst du jetzt machen?«
    Genau wußte Heinrich Emanuel das auch nicht. Es war ein Problem, das ihn Tag und Nacht beschäftigte … auch des Nachts, wenn Amelia müde der Liebe eingeschlafen war und Heinrich in angeregter Stimmung zurückließ. Dann überdachte er alle Möglichkeiten.
    Versicherungsvertreter. Vertreter für Wurstwaren im Sulzmannschen Betrieb. Anlernling in einem Beruf, am besten Büro. Freier Journalist in vaterländischen Zeitungen. Gründer und Vorsitzender eines soldatischen Traditionsverbandes. (Allerdings war man dann auf die Beiträge allein angewiesen, was immer kritisch war.) Landwirtschaftlicher Verwalter. (Man konnte sich ja einarbeiten.) Trainer oder Reitlehrer in einer Reitschule. Empfangschef in einem Hotel oder Konzertcafé. (Figurmachen hatte man gelernt wie kaum ein zweiter.)
    Heinrich Emanuel Schütze kam zu keinem Ergebnis. Er gestand es seinem Schwiegervater.
    »Ich weiß es noch nicht, Papa. Ich dachte an eine Vertretung …«
    »Vertretung?« sagte der Baron etwas schnippisch.
    »Bis sich etwas anderes findet. Als Übergang, gewissermaßen. Wenn sich der Deutsche auf seine Tradition besinnt, wenn wir wieder Militär bekommen, dann habe ich alle Türen offen. Bis dahin heißt es im Volke bleiben.«
    »Glaubst du denn, daß wir wieder Militär bekommen?«
    »Aber ja!« rief Heinrich Emanuel. »Wie sollte ein Deutscher ohne Uniform leben können? Unmöglich! Die Geschichte zeigt uns, daß die soldatische Tugend das Urelement des Deutschen ist! Wir können zwar Kriege verlieren, Papa – aber nie unsere soldatische Haltung.«
    »Bravo«, sagte Freiherr v. Perritz zufrieden. »Das beruhigt uns Alte, wenn die Jugend so weit vorausdenkt.«
    Heinrich Emanuel bekam seine Weihnachtsgans. Sie wog 22 Pfund, war gemästet worden und gut im Fett.
    Mit ihr brach Hauptmann a.D. Schütze wieder durch den Ring um Gut Perritzau. Daß man hinter ihm herschoß, als er wie Wotan im Wolkenwagen galoppierend nach Trottowitz raste, empfand er als unfreundlichen Akt. »So etwas in Deutschland, so etwas«, hechelte er erschöpft in der Bahnhofswirtschaft von Trottowitz. »Leben wir denn im Wilden Westen? Aber so ist es, wenn Zucht und Ordnung zum Teufel sind.«
    März 1919 – Amelia war wieder schwanger und war glücklich darüber, Heinrich Emanuel zu zeigen, daß er doch nicht ganz unnütz geworden war – traf er bei einer Stellungssuche auf einen Regimentskameraden. Es war in Oppeln. Der Kamerad, ein Hauptmann der Nachbarsdivision, hatte Anschluß gefunden. Er lebte in Düsseldorf, vertrat dort eine Margarinefirma und lebte so gut, daß er bereits jetzt einen Urlaub in Schlesien machen konnte.
    »Das sollten Sie auch tun, Kamerad«, sagte er eindringlich. »Die Firma sitzt in Köln. Gute Butter ist ja jetzt Essig fürs Volk. Wer kann sich's leisten? Aber in der Margarine

Weitere Kostenlose Bücher