Manöver im Herbst
liegt die Zukunft der Volksernährung. Reine Pflanzenkost – gesund und billig. Wenn das nicht hinhaut, was, Kamerad? Jedem Deutschen sein beschmiertes Brot …«
Heinrich Emanuel stellte sich in Oppeln bei der neugegründeten ›Rind- und Schweine-Versicherungs-AG‹ erst gar nicht vor. Er fuhr nach Hause und schrieb nach Köln. An die Vereinigten Margarinewerke GmbH.
Vier Tage später kam die Antwort. Er möchte sich vorstellen. Es arbeiteten bereits in den Außenbezirken 27 ehemalige Offiziere für die Margarinewerke. Unter ihnen sogar ein Oberst vom Generalstab. Er war Generalvertreter.
»Das ist es«, sagte Heinrich Emanuel Schütze und legte den Brief dem ›kleinen Familienrat‹ vor. »Wenn ein Oberst des Generalstabes dort arbeitet, kann auch ein Hauptmann Schütze einsteigen. Was meint ihr?«
Großvater Kommerzienrat Sulzmann war dagegen. Vielleicht wußte er, was alles in der Margarine war – damals, er schüttelte den Kopf.
»Solange wir noch Lebensmittelkarten haben, lohnt es sich doch nicht. Oder willst du mit diesem Ersatzzeug handeln? Unser guter, ehrlicher Name …« Er dachte an seine Kriegswurst und schwieg.
»Wenn ein Oberst sich dazu hergibt, Großvater –«
»Zugegeben. Aber noch habe ich Geld. Solange verhungert ihr nicht.«
Heinrich Emanuel wartete, bis am 28.6.1919 der Versailler Vertrag unterzeichnet war. Der Krieg war offiziell beendet. In 440 Artikeln wurde Deutschland lahmgelegt. Clemenceau, der ›Tiger‹, wie er genannt wurde, hatte dafür gesorgt, daß Deutschland nie mehr in die Lage versetzt werden konnte, einen neuen Krieg zu führen.
Im Juli fuhr Schütze nach Köln, um sich vorzustellen. Er sah keine andere Möglichkeit mehr … es gingen Gerüchte, daß Oberschlesien ganz an Polen fallen sollte, der Korridor war bereits verloren, Danzig weggenommen …, um den Annaberg sammelten sich Freikorps, sogenannte Sturmabteilungen ehemaliger Frontsoldaten verkündeten, daß sie die Grenzen verteidigen wollten, was immer auch komme … es war noch immer ein heilloses Durcheinander in Deutschland.
In Köln saß er dann dem ehemaligen Oberst gegenüber. Es war ein dicklicher Herr, dem es anscheinend gutging. Er fragte Heinrich Emanuel aus und sagte dann:
»Tja, mein Lieber … im Augenblick ist die Lage beschissen. Der Versailler Vertrag … wer weiß, was kommt. Aber sobald die Lebensmittelkarten fallen, steigen wir groß ein. Dann brauchen wir Sie. Ich nehme Sie in die Kartei auf – Sie hören von mir …«
Etwas enttäuscht fuhr Schütze zurück nach Breslau. Er half Großvater Sulzmann die Wurstwaren von der Fabrik in die Filialen fahren. Er besuchte Baron v. Perritz und arbeitete als Buchführer während der Ernte, notierte die Sackgewichte und die Felderträge, zahlte die friedlicher gewordenen Landarbeiter aus und ging plötzlich nach Breslau zurück, fast fluchtartig.
Niemand wußte, warum. Niemand war ja auch dabei, als beim Sackzählen in der Scheune die schwarzhaarige, junge und temperamentvolle Magd Duscha ihre weißen Arme um Heinrichs Nacken legte und sagte: »Küß mich du … Ich bin wild nach dir … Komm mit ins Stroh, du …«
So hatte auch der Frieden für Heinrich Emanuel seine Gefahren.
Im September gebar Amelia wieder einen Jungen. Hauptmann a.D. Schütze ließ ihn auf den Namen Giselher-Wolfram taufen.
»Mehr denn je ist jetzt das germanische Bewußtsein nötig«, sagte er zu der Namensgebung. »Ein Volk, das im Staube liegt, muß Kraft suchen an seinen geschichtlichen Helden. Und mein Junge soll ein echter Deutscher sein.«
Baron v. Perritz kam zur Taufe. Er brachte als Taufgeschenk eine Grundbucheintragung mit. Nach ihr gehörten dem jungen Giselher-Wolfram 10 Morgen Ackerland und Wiese. Viel wichtiger und freudiger begrüßt war ein großer Rehbraten, den der Baron mitschleppte. Und vier Pfund Butter. Und hundert Eier. Das führte dazu, daß man Großvater Sulzmann beleidigte, denn niemand rührte bei der Tauffeier die Kommerzienratswurst an.
Die Zukunft Heinrich Emanuels war noch immer ungewiß. Die Margarinevertretung in Köln war ein Schock für den Baron. »Du verrätst die Landwirtschaft!« schrie er. »Eßt Butter – muß es heißen!«
»Wenn wir welche haben …«, antwortete Schütze logisch.
»Es werden andere Zeiten kommen.«
»Nach diesem Friedensvertrag?«
»Wir werden ihn vom Tisch fegen!« schrie der Baron.
»Wer?«
»Junge Helden wie du, Heinrich Emanuel!«
Schütze widersprach nicht, aber er dachte sich seinen Teil. Er
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