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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mitglied im Rat der Volkskommissare. Er verkündete die Alleinschuld Deutschlands am Krieg und die bedingungslose Unterwerfung.
    Der Kommunist Karl Liebknecht gründete den radikalen Spartakusbund, die Zelle des deutschen Bolschewismus. Das deutsche Reich war in völliger Auflösung. Niemand wußte mehr, welche Befehle galten, welche überholt waren, welche als Verbrechen betrachtet wurden. Von allen Seiten trafen sie ein.
    Hauptmann Schütze sah sich diesem Chaos als Standortkommandant in Belgien gegenüber.
    Im März 1918 war er in Flandern verwundet worden. Es war nicht schlimm gewesen … beim Hinwerfen war ein Infanteriegeschoß schneller als er gewesen und hatte in sein rechtes Hinterteil ein Loch geschlagen. Da es nur eine Fleischwunde war, kam er erst gar nicht in ein Heimatlazarett, sondern wurde hinter der Front ausgeheilt und dann als Rekonvaleszent mit der Standortkommandantur betraut. Hier allerdings entwickelte Heinrich Emanuel den verständlichen Ehrgeiz, alt und vor allem zu den Überlebenden gezählt zu werden. Durch – zugegeben schmerzhaftes – Scheuern hielt er seine Gesäßwunde immer etwas offen. Solange sie näßte, blieb er in der Etappe. Nur die Ärzte wunderten sich. »Sie haben schlechtes Heilblut«, sagten sie. Als die Fronten immer mehr wankten, vergaßen sie den Hauptmann. Sie hatten alle Hände voll zu tun, die Verwundeten zu versorgen, die Sterbenden wegzutragen, die Toten zu begraben. Unter ihren Händen verröchelte das deutsche Kaiserreich.
    Heinrich Emanuel Schütze war äußerst verblüfft, als eines Morgens ein Lastwagen vor seine Kommandantur fuhr, aus der Soldaten mit roten Armbinden sprangen und ohne Anmeldung in sein Zimmer kamen. Sie grüßten nicht, sie nahmen keine Haltung an … sie öffneten die Fenster, ergriffen die Akten und warfen sie auf die Straße.
    »Aber meine Herren –«, sagte Hauptmann Schütze ehrlich verblüfft. »Was soll das denn?«
    »Schnauze!« brüllte ein Vizefeldwebel. Er hatte seine Feldmütze mit roten Bändern geschmückt und kam jetzt breit grinsend auf Schütze zu. »Der Krieg ist aus! Und nun runter mit den silbernen Fetzen da und mit den Orden! Heb die Faust, du Menschenschinder, und schrei mir nach: Es lebe die Revolution!«
    Heinrich Emanuel Schütze tat dies nicht. Er hieb sogar um sich, als zwei Soldaten auf ihn zusprangen und ihm die silbernen Achselklappen mit den beiden Hauptmannsternen abreißen wollten. »Ich lasse Sie erschießen!« brüllte er. Aber die Soldaten lachten bloß. Sie ergriffen Schütze. Drei Mann hielten ihn fest, und dann zerfetzten sie ihm die Uniform, rissen den Orden ab, ergriffen die Schulterstücke und zerrten so lange daran, bis sie knirschend absprangen. Der Vizefeldwebel hatte auf dem Schreibtisch einen Tagesbefehl Hindenburgs entdeckt. Lachend tauchte er das Papier in eine Wasserschale und klebte den nassen Bogen auf das Gesicht Schützes.
    »Hier! Wisch dir den Arsch damit!« schrie er. »Es ist Schluß mit dem Befehlen! Jetzt haben wir zu sagen. Wir Soldatenräte!«
    Zum Abschied verprügelten sie Schütze noch, weil er verhindern wollte, daß Geheimakten vernichtet wurden. Als die Soldaten wieder abzogen, lag er in einer Ecke seines Kommandantenzimmers, mit aufgeschlagenen Lippen und im Herzen völlig ratlos, wie so etwas in einer deutschen Armee geschehen konnte.
    Es war ein geringer Trost, als der nächste Tagesbefehl Generalfeldmarschalls v. Hindenburg von einem ›Dolchstoß in den Rücken der deutschen Armee‹ sprach, von einem Versiegen des Quells der Heimat, auf den das kämpfende Heer angewiesen war.
    Was die Experten schon zu Beginn des Krieges gesehen hatten, schon einen Monat nach Kriegsbeginn, als im September 1914 die deutschen Armeen zurückgenommen wurden, als der ›Blitzkrieg‹, auf dem die ganze Hoffnung Deutschlands und seiner Militärs aufgebaut war, in einen Stellungskrieg überging, damals schon hatte man gewußt, daß der Krieg ein böses Ende für das nach allen Seiten kämpfende Deutschland nehmen mußte.
    Aber das sagte man nicht. Vor allem hatte man es nie geglaubt. Jetzt, 1918, an einem trüben Novembertag, brach die Illusion auseinander wie eine taube Nuß. Aber man rettete sich mit der Geburt der ›Dolchstoßlegende‹. Was Ludendorff bei seiner letzten Lagebesprechung mit Hindenburg im September 1918 besprochen hatte, nämlich den Untergang der deutschen Armeen und die Sinnlosigkeit der Weiterführung des Krieges, blieb unbekannt. Das Friedensangebot an die Alliierten

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