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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erobern. Er nahm seinen Koffer mit den kleinen Probierpäckchen – von denen er täglich für den eigenen Gebrauch einige abzweigte mit der inneren Beruhigung, daß dies nur zur ständigen Qualitätskontrolle geschehe – und klapperte die Häuser ab, die in Köln zu einem Begriff geworden waren … Thieboldsgasse, Fleischmengergasse, Großer Griechenmarkt, Kleiner Griechenmarkt, Kaigasse, Nechelsgasse … Namen, die jedem Kölner einen bestimmten Schauer über den Rücken jagten.
    Heinrich Emanuels Kundschaft wuchs. Gerade in diesen Vierteln, wo er allenthalben den roten Fahnen des Kommunismus begegnete, wo die Wäsche im Treppenhaus trocknete und nachts die Polizeistreifen nur doppelt patrouillierten, wurde sein Preisunterschied von 27 Pfennigen pro Kilo dankbar aufgenommen. Es war bald so, daß es hieß: »Heute kommt ja der Margarinemann«, und die Kinder, rotznasig, dreckig, nach Urin stinkend, liefen ihm auf der Straße entgegen und gaben dem Onkel die Hand.
    Manchmal wurde er gefragt: »Waren Sie etwa Offizier?«
    Dann schüttelte Heinrich Emanuel leicht errötend den Kopf und fragte zurück: »Aber warum denn?«
    »Sie sehen so aus.«
    »Das täuscht.«
    »Ihr Glück. Denn wenn Sie Offizier gewesen wären, schmisse ich Sie aus'n Fenster. Die Kerle mit dem Silberlametta sind an allem schuld. Man sollte sie alle in einer großen Grube sammeln, und dann müßten wir, die Verführten, kommen, Hunderttausende, und die Kerle unten in der Grube zuscheißen. Ja, das müßten wir.«
    Der das sagte, war ein ehemaliger Feldwebel, wie er betonte. Heinrich Emanuel Schütze kam nach dieser Unterredung gebrochen nach Hause, verweigerte das Abendessen, starrte auf den Mauriziuswall und schämte sich, daß er sich das ohne Gegenwehr angehört hatte. Aber der Feldwebel hatte vier Kinder und nahm jede Woche 3 Kilo Margarine ab. Das war wichtiger.
    Es gab auch andere Kunden.
    Etwa Frau Erna Sülke auf der Thieboldsgasse.
    Zwei Monate hatte sie von Heinrich Emanuel Margarine bezogen. Sie lebte mit ihrem Mann, der Arbeiter in den Deutzer Motorenwerken war, allein unterm Dach in einer erbärmlichen Wohnung. Sie war jung, hübsch, etwas rundlich in den Hüften und obenherum, hatte blonde, gebleichte Haare und einen frechen Blick.
    Viermal hatte Schütze versucht, zu kassieren. Immer war sie ohne Geld. Immer wurde er vertröstet.
    »Morgen ist der letzte Termin«, sagte Schütze. »Wenn Sie morgen nicht zahlen, holen Sie Ihre Margarine woanders. Ich stelle die Lieferung ein.«
    Er meinte es ernst und war zu allem entschlossen, als er am nächsten Tag wieder bei Frau Erna Sülke erschien.
    Als er an die Tür klopfte, antwortete niemand. Aha, dachte er. Sie verleugnet sich. Er drückte die Klinke herunter. Die Tür schwang auf, knirschte etwas, ein Gemisch von Parfüm und Sauerkraut kam ihm entgegen. »Frau Sülke?!« rief er. »Ich komme das Margarinengeld holen …«
    »Kommen Sie nur!« rief Erna Sülke. Ihre Stimme kam aus dem Raum, der neben der Küche lag. Heinrich Emanuel schloß hinter sich die Tür und setzte sich auf einen Stuhl, den er vorher auf seine Sauberkeit abgestrichen hatte.
    »Haben Sie das Geld bereit?« rief er.
    »Nein –«
    »Dann muß ich Ihnen die Margarine sperren und einen Zahlungsbefehl gegen Sie erwirken –«
    »Aber wer wird denn so hart sein?« fragte Erna Sülke. Ihre Stimme klang irgendwie süßlich.
    Und dann kam Frau Sülke aus dem Nebenzimmer, und sie hatte nichts weiter an als ein Paar hockhackige Schuhe, ihre Haare waren zerzaust. Schütze stellte zunächst fest, daß sie gebleicht waren. Es war jetzt nicht mehr zu verleugnen.
    »Was … was soll das?« stotterte er und fuhr von seinem Küchenstuhl hoch.
    »Haste noch nie ne nackte Frau jesehen?«
    Unter Schützes Kopfhaut hämmerte es. Er bemühte sich, bestimmte unübersehbare Formen nicht mit Interesse zu sehen, sondern wurde dienstlich.
    »Ich will mein Margarinegeld, Frau Sülke.«
    »Das sollst du haben, Bubi.« Sie tänzelte auf ihn zu und blieb nahe vor ihm stehen. Die roten Spitzen ihrer Brüste berührten fast seinen Mantelrevers. »Wie wär's mit 'nem Tausch? Du läßt das Geld flöten, und wir zwei machen uns einen schönen Vormittag …«
    Heinrich Emanuel Schütze sah über den blonden Wuschelkopf hinweg an die Wand mit dem abblätternden Putz. Er roch das billige Parfüm. Ihr weißer Körper war jetzt ganz nahe, sie lehnte sich an ihn.
    »Na?« fragte sie.
    »Ich will das Geld.«
    »Ich zeig' dir mehr, als hundert Pfund Margarine

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