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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Deutschland erwache!«
    Hauptmann Schütze sah auf den mitten im Zimmer liegenden dicken Stein, dann auf die Pistole in seiner Hand. Das Geschrei »Deutschland erwache!« ernüchterte ihn, machte ihn klar, trieb seine Verzweiflung weg wie ein Windstoß flatternde Nebelschleier.
    Mit drei großen Schritten hetzte Heinrich Emanuel ans Fenster. Er riß die Gardine von der Stange, stieß mit dem Ellenbogen die Scheibe vollends aus dem Fenster und beugte sich hinaus.
    Vor dem Haus standen zehn SA-Männer in ihren braunen Uniformen, mit den runden Sturmmützen, den Sturmriemen unterm Kinn. Sie hoben die rechte Hand, als sie Schütze sahen und brüllten lachend: »Reaktionslümmel! Lümmel! Lümmel!«
    Schütze biß die Lippen fest aufeinander. Dann stieß er die Hand mit der Pistole durch das zerbrochene Fenster und schoß. Ziellos, blind vor Wut, mitten hinein in den auseinanderspritzenden Haufen der SA-Leute.
    Wie im Spuk verflog das Geschrei. Nur einmal hörte man einen Aufschrei, eine braune Gestalt schwankte … andere griffen zu und rissen sie aus dem Bereich des Fensters. Dann war die Straße leer. Nur hinter den Gardinen der anderen Häuser sah Schütze die Schatten von Neugierigen.
    Langsam trat er zurück ins Zimmer. Ging zurück an den Schreibtisch. Hob den großen Stein auf, legte ihn zu den Bildern. Er gehört jetzt dazu, dachte er. Der letzte Stein meines Lebens.
    Eine verzweifelte Freude quoll in ihm auf. Er hatte auf seine Widersacher geschossen. Er ging nicht kampflos von dieser Welt. Er starb, wie es sich gehörte, in der vordersten Front. Kämpfend, allein der Übermacht weichend, unbesiegt.
    Mit einem Ruck setzt er die Pistole an die Schläfe. Der Lauf war noch heiß. Er spürte einen kleinen Schmerz, atmete noch einmal tief auf und dann drückte er ab.
    Das Schloß knackte hart, aber kein Schuß löste sich. Das Magazin war leergeschossen.
    Mit starren Augen stierte Schütze auf das zerbrochene Fenster. Dann entfiel die Pistole seiner Hand. Mit einem tiefen Seufzer fiel er in Ohnmacht.
    Er mußte weiterleben …
    *
    Die Verhandlung gegen die drei Leutnants fand in Leipzig statt. Vor dem Reichsgericht. Es blieb Reichswehrminister Groener keine andere Wahl, nachdem der Fall soviel Staub in Deutschland aufgewirbelt hatte. Außerdem bereuten die drei Leutnants nicht ihre Tat … im Gegenteil, sie bekannten sich offen zum Nationalsozialismus und zu dem Mann, der einmal Gefreiter gewesen war und sich Adolf Hitler nannte.
    Unter starker Bewachung wurden nicht nur die drei Angeklagten nach Leipzig gebracht, sondern auch Hauptmann Heinrich Emanuel Schütze.
    Er mußte als Zeuge aussagen. Amelia und die Kinder begleiteten ihn wieder, allerdings in einem anderen Abteil des Zuges.
    Vor dem Reichsgerichtsgebäude stauten sich die Menschen, als der Prozeß begann. Hundertschaften der Polizei standen den aufmarschierenden Stürmen der SA gegenüber. Die roten Fahnen mit dem weißen Kreis und dem schwarzen Hakenkreuz beherrschten das Straßenbild. Sie knatterten im Wind wie Maschinengewehrfeuer. Berittene Polizei sperrte die Eingänge des Reichsgerichts ab. Das bei Leipzig stationierte Reichswehrregiment Nr. 11 hatte Vollalarm. Einsatzbereit standen die Truppen in den Kasernen bereit. Es war scharfe Munition verteilt worden. Sogar die Garnison Dresden war zum Eingreifen alarmiert worden. Umgeschnallt, den Stahlhelm vor sich auf dem Tisch, saßen die Soldaten auf ihren Stuben. Die Aufmarschpläne waren an die Offiziere verteilt worden.
    Dieser riesige Aufwand galt jedoch nicht dem Erscheinen des Zeugen Heinrich Emanuel Schütze. Auch die drei Leutnants waren nicht so interessant, daß man eine Garnison in Alarm und eine andere in Bereitschaft versetzte.
    Ein anderer Zeuge sollte vor dem Reichsgericht aussagen. Er sollte und wollte bekunden, daß die drei Leutnants im Sinne der deutschen Wehrpolitik gehandelt hätten. Er wollte aussagen, daß die NS-Propaganda innerhalb der Reichswehr ein Griff in die Zukunft sei.
    Es war ein Zeuge, der es wissen mußte. Ein Zeuge, auf den an diesem Tag in Leipzig Tausende warteten. Mit Fahnen und Posaunen, mit berittener Polizei und zwei alarmierten Regimentern.
    Der große Zeuge hieß Adolf Hitler. Mit starrem Kreuz, hochaufgerichtet, in Paradeuniform, mit allen Orden stand Heinrich Emanuel Schütze im Gerichtssaal seinem großen Widersacher Hitler gegenüber. Sie sahen sich kurz an, musternd, abschätzend … der eine arrogant, mit mokantem Lächeln, bereits jetzt schon im

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