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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Größenwahn befangen. Der andere lauernd, interessiert, stumm fragend.
    Schütze war enttäuscht, als er Hitler gegenüberstand. Ein mittelgroßer Mann. Schmächtig. In einem Wettermantel. Mit zerknitterten Stiefeln. Ein schwarzer, kurzer Schnurrbart. Glatte Haare, von denen eine Strähne schräg über die Stirn hing. Nur die Augen waren markant. Sie waren hart, strahlend, fast faszinierend, wie bei einem Hypnotiseur oder einem Morphinisten. Aber sonst –
    Heinrich Emanuel schob das Kinn vor. Er wandte sich den drei Leutnants zu. Welches Mittelmaß an diesem Mann, dachte er erschrocken. Mein Gott, sieht das denn niemand? Dieser Hitler ist doch ein lächerlicher Gernegroß. Er kann reden … das ist alles. Aber was er sagt, wird nur dadurch gewichtig, wie er es sagt. Entkleidet man die Worte des Pathos, so bleibt ein sinnloses Geschwafel übrig. Hört das denn keiner? Ist denn alles taub und blind?
    Ein Gefreiter, dem die Natur nur eine große Schnauze mitgab, will Deutschland regieren?
    Hauptmann Schütze sah wieder zu Hitler hinüber. Auch Hitler blickte zu ihm hin. Ihre Blicke kreuzten sich wie zwei Säbelklingen. Hitler lächelte. Wirklich, er lächelte.
    Armer Hauptmann, dachte er vielleicht. Mag die NSDAP diesen Prozeß auch verlieren … den Namen Schütze wird man sich merken und den Verlust dieses Tages an ihm einmal mit Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen. Er kennt einen Hitler nicht … aber er wird ihn kennenlernen. Im nächsten Jahr … in drei oder fünf Jahren … einmal … die Zeit reift immer mehr für einen Umsturz. Und je mehr Jahre vergehen, um so mehr wird die Jugend erwachen … für uns … wie diese drei jungen Leutnants.
    Schütze mochte diese Gedanken an den Augen Hitlers erkennen. Er hielt dem Blick stand, und während Hitler lächelte, wölbte er die Unterlippe vor.
    Hitlers Augen wurden hart, bösartig glitzernd. Er wandte sich ab und strich sich über seine Haarsträhne. Dann straffte er seinen Mantel unter dem Gürtel und legte die linke Hand an die Schnalle. Es war, als erwarte er einen Vorbeimarsch der Richter.
    Die Aussagen Heinrich Emanuels waren in zehn Minuten beendet. Er schilderte die Überführung der drei Leutnants und wurde durch den Zwischenruf eines Hitler-Anhängers aus dem Zuschauerraum unterbrochen:
    »Die Reichswehr auf dem Lokus! Da gehört sie hin!«
    Schütze fuhr herum. Er sah Hitler wieder lächeln. Breit, gemein fast. Der schwarze Schnurrbart zitterte vor Freude.
    »Wenn dieser Mann jemals die Geschicke Deutschlands lenken sollte!« rief Heinrich Emanuel. Er wußte nicht, warum er es tat. Es war eine sinnlose Tat, aber es drängte aus ihm heraus. »Wenn er jemals Reichskanzler wird … dann verteilt fünfzig Millionen Pistolen. Es ist besser, durch eigene als durch ihn zu sterben!«
    Das Gesicht Hitlers wurde bleich und kantig. Er drehte sich zum Richtertisch um, legte wieder die linke Hand an die Gürtelschnalle. Irgend jemand schrie in den Saal:
    »Knallt den Schuft da schon im voraus nieder!«
    Dann hielt Hitler, als Zeuge aufgerufen, eine Rede. Er sprach aus dem Stegreif über eine Stunde. Er sagte als Zeuge aus, und er verkündete gleichzeitig vor dem obersten deutschen Gericht sein Parteiprogramm, seine Ziele, seinen Kampf. Er redete mit fuchtelnden Händen, mit weit aufgerissenem Mund, mit zitternden Haaren.
    Gebannt sahen ihm die Zuhörer zu. Atemlos lauschten sie den Worten. Richter, Angeklagte, Zuhörer.
    Auch Heinrich Emanuel Schütze.
    Er starrte auf den Mund Hitlers, er sog die Worte aus dem Gaumen heraus. Er fühlte sich eingehüllt in eine heiße Wolke, die über und um ihn sich verbreitete.
    Er vergaß fast zu atmen. Er schwitzte, und wußte es nicht. Es war ihm, als habe sich ein Tor geöffnet in einer riesigen, hohen Mauer. Und nun blickte er in eine andere Welt, und diese Welt war sonnig.
    Keine Arbeitslosen. Blühende Städte. Ein starkes, unbesiegbares Heer. Hohe Gehälter und Löhne. Eine glückliche Jugend, die singend hinter Fahnen und Standarten marschierte. Eine Welt, die Deutschland zu Füßen lag … Deutschland, dem stärksten Land der Erde. Deutschland, der Herrennation des Abendlandes.
    Mit dem letzten Wort Hitlers schwand auch der Zauber. Die Nüchternheit des Gerichtssaales war doppelt quälend nach diesem Kaskadenspiel von Worten und Versprechungen.
    Hitler sah wieder hinüber zu Schütze. Wieder trafen sich ihre Blicke. Und Heinrich Emanuel hielt dem Blick nicht mehr stand. Er senkte den Kopf, sah zur Seite und fühlte sich

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